Verschenken von Zeit an den Journalismus ist vorbei
In einem in meinem gestern früh verfassten „rage posts“ bereits verlinkten Gastbeitrag im Handelsblatt provoziert Christoph Keese, „Konzerngeschäftsführer Public Affairs der Axel Springer AG“, bereits in der Überschrift: »Zeit des Verschenkens von Journalismus ist vorbei« Nach seinem Wunsch gestaltet die „Kanzlerin aller Deutschen1“ das Leistungsschutzrecht und wickelt damit das Zitatrecht de facto ab, mit im Urheberrecht die Verwendung von Zitaten erlaubt wird …
(…) ohne dass eine Erlaubnis des Urhebers eingeholt oder diesem eine Vergütung gezahlt werden muss (…). Die allgemeine Begründung dafür ist, dass Zitate der kulturellen und wissenschaftlichen Weiterentwicklung einer Gesellschaft dienen (…).2
Angela Merkel ausgerechnet, deren Parteifreund Karl-Theodor von und zu Guttenberg mit seiner ihm eigene Auffassung vom Zitatrecht eine Welle von aberkannten Dr.-Titeln heraufbeschworen hat, beugt sich damit dem Diktat einzelner Massenmedien, die meinen mit Hilfe der Abschaffung eben dieses Zitatrecht mit ihren Produkten noch mehr als genug Geld verdienen zu können. Den floppenden Apps der „Qualitätsmedien“ und den weiter einbrechenden Werbeträgern soll zu dem Zweck eine vollautomatische Vergütung von Kleinzitaten anbei gestellt werden. Wer, wie Google mit News Geld verdient, soll ordentlich zur Kasse gebeten werden. Das Google News gar keine Werbeträger aufweist, und die eigentlichen Nachrichten erst im Werbeumfeld der Website der verlinkten Websites wird tunlichst verschwiegen.
Christoph Keese stellt sich selbst eine Frage, und zwar danach was Verlage selbst tun müssten um sich im Internet zu bewähren. Die heftige Reaktion auf den von ihm seit Jahren vorangetriebenen, nun im Koalitionsausschuss verabschiedeten Subvention für die Verlage sollte Keese als Kontrindikation werten. Denn nur wer den reflektierenden Rezipienten ernst- und wahrnimmt, anstatt ihn als Konsumenten zu begreifen, der wird in Zukunft Erfolg haben. Den monolithischen Massenmedien beispielsweise aus dem Axel Springer Verlag wird über kurz oder lang ein breit gefächertes Medienangebot folgen, audiovisuell wie textuell, kommerziell oder von der Graswurzel auf, journalistisch bis unterhaltsam, vielseitig bis hochspezialisiert. So wie die Zeitungsständer in den Bahnhöfen und Flughäfen, nur um ein Vielfaches komplexer. Und diese Zeitschriften erlauben dann nicht nur die Interaktion der Leser untereinander, sondern auch Rücklauf über den gemeinen Leserbrief hinaus, bis hin zum echten Leserreporter, der entweder ein vitales Interesse an einer ansonsten ausbleibenden Berichterstattung hat, gern schreibt oder vielleicht auch ein paar Euro nebenher verdienen will, wenn er schon seinen Eindruck und seine Meinung mitteilt. All das passt leider nicht 1:1 in die Geschäftsmodell von Christoph Keese, Friede Springer, Mathias Döpfner und Kai Dieckmann. Es gewährleistet nicht die Margen, die Bertelsmann mit einem Werbeblock im „First Time in Free TV“ mit sich bringt. Aber es erfüllt den Anspruch an Berichterstattung schon heute besser als es parteiliche und populistische Private in der Gegenwart tun.
In seinem „Presseschauder“ getauften Blog schreibt3 Keese »Produkte, die darauf angewiesen sind, Leistungen von Lieferanten kostenlos in Anspruch zu nehmen, sind nicht marktfähig.« Und was er meint ist klar: Google News. Doch nochmal: Es handelt sich zwar um einen Mehrwert, aber nicht jeder Mehrwert ist gleich ein Produkt. Google verdient nicht unmittelbar an Google News, vielmehr verdienen Verlage indem sie Leser darüber gewinnen. Keese verlangt also für die Vermittlung eigene Inhalte Geld – absolut absurd!
Wo ich grad bei Blogs bin: Blogs erleben von Zeit zu Zeit, aber immer in schöner Unregelmäßigkeit Selbstzweifel. Sie stellen sich in Frage, sie schreiben sich über ihre Zukunft in Rage. Traditionell beschwören sie ihr baldiges Ende, verweisen dabei auf Dienste wie Twitter, Facebook, Google+ und vernachlässigen dabei zweierlei: 1. sind es die selben Wehklagen, die der Qualitätsjournalismus seit Jahren inszeniert, um sich eines Leistungsschutzrechtes zu versichern, und 2. das ihrer großen Brüder, kollaborative Blogs mit zum Teil journalistischem Anspruch sehr wohl Erfolge aufzuweisen haben. Es gilt jetzt, den Vorstoß in Richtung Leistungsschutzrecht zu torpedieren. Und wenn es so weit kommen sollte, das SchwarzGeld auf wundersame Weise in Rekordzeit, d.h. vor der Bundestagswahl, einen Gesetzentwurf vorlegt, der nur dem Anspruch einiger weniger Nutznießer genügt, ist der Moment gekommen daran zu erinnern das Journalismus heute nicht mehr von 200 Verlegern verübt wird, sondern seit fast zwanzig Jahren und nunmehr zunehmend von Klein(st)verlagen und/oder Überzeugungstätern bereichert wird. Wenn sich Urheber bereichern können sollen, dann doch bitte Alle.
Und damit wäre dann auch eine Umsetzung in dieser Legislaturperiode illusorisch: Das fünfzig Jahre alte UrhG in 12 Monaten übers Knie gebrochen neu aufzustellen, noch dazu eine technische Lösung – wohlgemerkt über dem Niveau bspw. der LKW-Maut, DE-Mail & Co. – bereitzustellen ist ein Vorhaben für Jahre. Bis dahin bezieht Merkel aller Voraussicht nach bereits ihren Ehrensold.
- Verleger [↩]
- Quelle: Wikipedia; Urheberrecht: Zitate und Urheberrecht [↩]
- nofollow wg. fehlendem Trackback [↩]