Scheckbuchpolitik

Vorgestern gab die Bundesregierung bekannt, das sie sich von der Atomindustrie habe einkaufen lassen im SchwarzGelben Koalitionsvertrag vereinbarte Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke und hierdurch der Atomindustrie zusätzliche Gewinne im dreistelligen Milliarden-Bereich zuzusichern, wie es Großspender vor der Wahl auf den Merkzettel geschrieben haben wie es einige fossile Kernkraftwerkbefürworter in einem offenen Brief vergangene Woche in Erinnerung riefen. Trotz allen meinerseitigen Zweifeln, ob mit der Verlängerung verbunden Spenden an die Regierungsparteien verbunden sein werden, für diese Art der Politik gibt es einen einschlägigen Begriff, der nennt sich Scheckbuchpolitik.

Das jetzt Zusicherungen erfüllt werden – egal ob mit monetären Gegenleistungen verbunden oder nicht – ist gut für zukünftige Interessenträger, denn es attestiert der Regierungskoalition gute Haltungsnoten gegenüber denen, denen sie Gesetze versprechen. Wählerinnen und Wähler sind ja inzwischen leid, Versprechen vor der Wahl noch am Wahlabend gebrochen zu sehen. Das hat unmittelbare Auswirkungen auf die Wahlbeteiligung insgesamt, und auf die Wahlergebnisse derer, die die Versprechen brechen – so viel ist ohne Politikstudium und mit vorliegenden Erfarungswerten gewiss. Trotzdem: Merkel und Westerwelle scheinen weniger interessiert daran, was ihnen die Wählerinnen und Wähler ins Stammbuch geschrieben haben – und ausweislich der Umfrageergebnisse des letzten Jahres immer deutlicher tun. Denn die halten deutlich weniger von einer Renaissance der Atomkraft, oder von Steuervergünstigungen für Hoteliers, oder was Seehofer nun für seine Großspender aus dem Hut zaubert. Inzwischen ist SchwarzGelb in Umfragen bei 36 Prozent gelandet, im Vergleich zu RotGrün mit 46 Prozentpunkten – bei gut meinenden Umfrageinstituten.

Nun melden sich auch noch die Stadtwerke zu Wort, die immerhin noch über die Hälfte des verkauften Stroms in Rechnung stellen, der allerdings nur zu zehn Prozent von ihnen produziert und überdies am Strommarkt für teures Geld erkauft werden muss. Die haben sogleich einen konstruktiven Vorschlag ín der Tasche, der ihrem Geschäftskonzept zugute kommen soll: Die größten CO2-Schleudern der Energieriesen sollen stillgelegt werden, in diese Lücke dann ansonsten über Nacht in Investitionsruinen verhandelwandelten Kraftwerke der Stadtwerke.

Diese Forderung stellt nun auch nicht irgendwer auf, sondern einer der den Darmstädtern ein Begriff sein sollte: Filbert ist Vorsitzender der hse AG, die gerade im Begriff ist – unter Sperrfeuer des Darmstädter IHK, der CDU und einiger anderer Interessenträger – einen atomaren Anteilseigner los zu werden, und zugleich zum nationalen Marktführer im Bereich erneuerbare Energien zu avancieren. Den schmerzlichen Schlag ins Kontor, 40 Prozent Beteiligung eines Kernenergiekonzerns machten den Ökokommerz der hse unglaubwürdig, muss der noch verkraften, und trotzdem oder gerade deswegen ist der modus operandi schon wieder ganz auf Angriff umgestellt.

Doch Filbert ist nicht zu beneiden, steht zumindest Presse-öffentlich eine ebenso betont gelassene CDU/CSU-Fraktionsspitze gegenüber, die von den Gönnern ihrer Partei gelernt hat und den Kritiker postwendend einkaufen will:

Was die Beschwerden der Stadtwerke betrifft, die ihre Investitionen gefährdet sehen, zeigte sich die Fraktionsspitze zunächst gelassen. Man werde sehen, was man für die Kritik-Führer tun könne. Zu deutsch: Man erwartet, dass die Stadtwerke mit Zugeständnissen finanzieller Art zufrieden gestellt werden können.

Quelle: Trägt die Unions-Fraktion den Atom-Kompromiss mit? in Ärger um die energiepolitische Revolution

»So funktioniert Politik heute« kann man Pofalla & Co. vor dem inneren Ohr sagen hören. Das sich die Partei- und Fraktionsspitze da mal nicht vertut, und den ohnehin geschundenen kommunalen Finanzen und dem damit verbundenen Interessen der städtischen Anteilseigner nicht zu wenig Gewicht beimisst. Diese Großbaustelle könnte die letzte werden, die SchwarzGelb auftut, und die die Opposition nach Neuwahlen nur noch zuschütten muss. Der heiße Herbst ist offensichtlich keine Phrase, sondern ein Pulverfass an dem Merkel und ihre Vasallen zündeln.

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