Wahlversprecher zur Kernkraft
Derzeit verdichten sich die Signale, das in Deutschland demnächst neue Kernkraftwerke gebaut werden. Aus gegebenem Anlass ergreife ich daher die Gelegenheit einen Remix meines Beitrags »Niemand hat vor neue Atomkraftwerke zu bauen.« zu veröffentlichen, in dem in einem Video die Aussagen verschiedener Politiker der Union, insbesondere vor den „verehrten Vertretern der Kernenergieindustrie“ (O-Ton), dem Wahlversprechen der „Chefin“ „Angie“ Merkel gegenüber gestellt werden. De facto waren das folgende Aussagen:
- »Wir haben festgeschrieben, wir wollen keine neuen Atomkraftwerke. Ich … ähm … kenne niemanden in der Union, der sich mit dem Gedanken … ähm … trägt. Und in unserem Regierungsprogramm ist das nochmal niedergelegt.«
Angela Merkel im Rahmen des Bundestagswahlkampfes 2009 vor den versammelten Vertretern der veröffentlichten Meinung. - »Und deshalb müssen wir überlegen, welche Strategie wendet man am besten an, um tatsächlich nach 2009 auf Kernenergie als Zukunftsenergie in Deutschland nicht nur zu halten, sondern auch auszubauen. Denn da vertrete ich da zwar sicherlich auch eine Meinung, die nicht überall in der Union mehrheitsfähig ist, allerdings kann ich da nur auf meine eigene Organisation verweisen, die mit großer Mehrheit auf unserem Deutschlandtag, auf unserer Bundestagung, im vergangenen Oktober in Berlin beschlossen hat, auch neue Kernkraftwerke zu bauen.«
Philipp Mißfelder (CDU-MdB und Vorsitzender der Jungen Union), vor dem „Deutschen Atomforum 2008“, dem Lobbykongress der Atomenergie. - »Kein Mensch will in Deutschland neue Kernkraftwerke bauen. Wir wollen allerdings die vorhandenen sicheren Kernkraftwerke in Deutschland in der Laufzeit verlängern.«
damaliger CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla zur Deutschen Welle - »Auf die Dauer scheint es mir schwierig nur über alte Kraftwerke zu reden. Ich glaube das diese Frage vor dem Beginn des nächsten Jahrzehnts nicht ansteht. (…) Die Änderung des Gesetzes ist nur möglich, wenn Politiker die diesen Mut irgendwann einmal haben, eine verlässliche Chance sehen, das dann auch jemand einen Antrag stellt.«
Roland Koch ruft, vor dem versammelten Deutschen Atomforum 2006, Energiekonzerne unmissverständlich zur Unterstützung, wenn denn nach der Landtags- und Bundestagswahl 2008/2009 neue Mehrheiten entstünden, das Recht auf nukleare Energieerzeugung per Antrag einzufordern. Niemand hat sich wohl in der Geschichte der Politik offensichtlicher an einen Lobbyverband verkauft, als Roland Koch, in dessen Hoheitsgebiet eines der unsichersten Kernkraftwerke der Welt steht und seit Ende letzten Jahres auch wieder betrieben werden darf. Zufälligerweise lag es an Roland Koch und seinen vier Unterstützern in den Reihen der hessischen SPD, eben jene Genehmigung politisch zu ermöglichen, indem Sie eine Minsterpräsidentin Ypsilanti und einen Wirtschafts- und Energieminister Scheer verhinderten. Zufälle gibt es. - »Ich kenne niemanden der in Deutschland neue Kernkraftwerke bauen will.« Guido Westerwelle gegenüber der ARD zu einem Zeitpunkt als das CDU-geführte Bundesministerium der Wirtschaft längst kommunziert hatte, das es den Anteil der Kernenergie in Deutschland von 26 auf 33 Prozent anzuheben gedenkt.
- »Und ich schlage deshalb vor, das wir das auch aus den ideologischen Grabenkämpfen der Umweltpolitik weitesgehend heraushalten und deshalb die Zuständigkeiten neu ordnen. Und deshalb die komplette Zuständigkeit für Energiepolitik beim Wirtschaftsministerium ansiedeln, dort wo es hingehört und nicht in die ideologischen Grabenkämpfen der 80er und 70er Jahre, wo sie momentan im Umweltministerium sind.«
abermals Philipp Mißfelder (CDU-MdB und Vorsitzender der Jungen Union), unter dem tosenden Applaus des „Deutschen Atomforum 2008“, dem Lobbykongress der Atomenergie. - »Wer in der Energieversorgung unabhängig bleiben … darf die Frage des Standortes für ein weiteres Kernkraftwerk nicht tabuisieren.«
Annette Schavan (CDU) - »Ich halte den Thorium-Hochtemperaturreaktor für eine zukunftsweisende Technologie«
Landesminister Pinkwart (FDP) - »Ich bin klar dafür, das wir mit dieser Technologie auch hier in Deutschland neue Kernkraftwerke bauen.«
Christian Ruck (CSU-MdB) zur neuen ERP-Reaktortechnologie - »Es darf kein Denkverbot für den Neubau von Kernkraftwerken geben.«
Eberhard Gienger (CDU-MdB) - »In Deutschland werden in zehn Jahren neue Kernkraftwerke gebaut.«
W. Hirche (FDP, Landeswirtschaftsminister Niedersachen) - »Man kann sich nicht darauf verlassen, dass das was vor den Wahlen gesagt wird, auch wirklich nach den Wahlen gilt und wir müssen damit rechnen das sich das in verschiedenen Weisen wiederholen wird.« »Wenn ich sehe, wie viele Kernkraftwerke weltweit gebaut werden, wäre es jammerschade wenn Deutschland aussteigen würde.«
Angela Merkel 2009 vor dem BDI
Selbst wohlwollende Interpretationen erlauben einzig das Fazit, das der Wähler in Sachen Kernkraft – aber natürlich nicht nur – systematisch an der Nase herumgeführt wurde. Im Volksmund spricht man von einer Lüge, ausgerechnet die CDU hatte hierzu den Euphemismus »Wortbruch« geprägt. Gerade aber die CDU ist für die Lobbyvertreter der Atomenergiekonzerne in den letzten Monaten zum beliebten Ansprechpartner geworden, und wie es scheint steht dem Ausstieg aus dem Atomausstieg noch in diesem Jahr nichts mehr im Wege.
Als Darmstädter möchte ich daher hiermit alle Interessierten auf den von Uffbasse Darmstadt angepriesenen Videoabend hinweisen, der am kommenden Montag, 11. Januar 2010, 20 Uhr in der Oettinger Villa stattfindet. Der gezeigte Film „Todeszone“ hat mich Anfang der 1990er-Jahre für das Thema sensibilisiert und zeigt insbesondere Darmstadt nach einem möglichen Super-GAU in Biblis.
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