Rot-Rot-Grün sehen, Schwarz malen.

Angela Merkel ist sich für Stammtischparolen nie zu schade gewesen, aber das zuletzt zur Schau gestellte Niveau ihrer Einlassungen zu Rot-Rot-Grün in Thüringen hat einen zu tiefst undemokratischen Charakter:

Das Vorgehen der SPD in Thüringen kann nicht als isolierte landespolitische Entscheidung gesehen werden. Das [nämlich eine Koalition mit Die Linke nicht auszuschließen] ist eine Gesamtlinie der Partei. Die SPD riskiere damit eine völlige europa- und außenpolitische Blockade Deutschlands.

Angela Merkel beim Parteitag 2014 ihrer CDU Mecklenburg-Vorpommern, Q: Reuters

Mal abgesehen davon das dies schlicht gelogen ist, denn die SPD hat einen gegenteiligen Beschluss gefasst: Die vielen Merkel hörigen Regierungsmitglieder der SPD sind einer weitergehenden Zusammenarbeit mit Die Linke ebenso hinderlich wie der „zweite Flügel“ der SPD. So hatte Sigmar Gabriel am Wochenende jene Konservative in der SPD zur restlichen Partei abgegrenzt, die sich seit Helmut Schmidt in der Partei festgesetzt haben. Sie gehören mit ihren Vorstellungen eher zur neuen, beliebigen Union, schließlich teilen sie mit ihr oder teilt die neue von der SPD inspirierte CDU ihr Gedankengut. Und weil sie inhaltlich auf der selben Wellenlänge sind können sie auch ganz gut mit der Konkurrenz. Obwohl sie in der SPD eine Minderheit bilden, binden sie die höchsten Führungspositionen: Allen voran Sigmar Gabriel an der Spitze bis hinunter in den Kommunen finden sich vor allem im Partei- und Fraktionsvorsitz angepasste Anzugträger ohne eigene Vision aber mit breitem Kreuz und hartem Dickschädel. Sie beanspruchen für die Mehrheit zu sprechen, und beziehen ihre Bestätigung aus Wahlergebnissen ohne Wahl, d.h. Alternativen. Diese Kaste der Berufspolitiker, deren Energie zum Teil auch aus familiärer Tradition und Corpsgeist speist, aus persönlich-politischen Abhängigkeiten und obsessivem Netzwerken hat immerhin eines geschafft: Sich so etwas wie demokratische Legitimation zu verschaffen.

Doch es wäre unfair zu behaupten, Sigmar Gabriel zumindest sei zur reflektierten Selbstkritik unfähig. Bei jenem Parteitag am vergangenen Samstag in Hofheim, dem Ort des legendären Slomka-Gabriel-Interview nämlich, kam es dazu bis zu einem gewissen Grad dazu (ab 5:50), und auch zu einer erstaunlich zutreffenden Selbstdiagnose, doch hört selbst:

Nach einiger Selbstbeweihräucherung erklärt der Vorsitzende, das er bei der Einschätzung der Meinung der Parteibasis auch mal falsch liege und das er dem Bundespräsident seine Meinung zum Thema zugesteht, die man aber nicht teilen müsse. So viel Selbstkritik war nie12

Rot-Rot-Grün Schwarz malen

Doch Angela Merkel, die selbst ernannte »Kanzlerin aller Deutschen« hat nicht einmal die. Ihre Legitimation für die SPD zu sprechen leitet sich aus nichts ab. Und das wäre die angemessene Art darüber zu berichten: nicht. Wenn Angela Merkel gegenüber ihrer CDU davon spricht, das die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen »[keine] isolierte landespolitische Entscheidung« sei, ist das eine Durchhalteparole und es spricht die Angst aus ihr. Es ist der Versuch der ehemaligen Blockpartei Ost-CDU die Angst zu nehmen, von der Nachfolgerin der anderen Blockpartei den Rang als führende politische Kraft in den „neuen“ Bundesländern abgelaufen zu bekommen. Und mit jedem weiteren Bundesland auch an Einfluss über den Bundesrat an zukünftigen Bundesregierungen zu verlieren, an denen Die Linke beteiligt sein könnte. Es ist nicht die die Furcht das föderale Deutschland könne in eine parlamentarische Pattsituation kommen. Es ist die Furcht vor der Sackgasse für die CDU, die mit dem ersten grünen Ministerpräsidenten begonnen hat, der der Union in Baden-Württemberg gezeigt hat, das modern und konservativ zusammengehen. Wenn Angie davor warnt, die »SPD riskiere damit eine völlige europa- und außenpolitische Blockade Deutschlands« meint sie damit einzig und allein ihrer Vorstellungen von Europäischer Union, in der alle anderen Länder der Europäischen Union unter ihrer Fuchtel stehen, und zwar in allem Politikfeldern, von Austeritätspolitik bis Zuwanderung. Adolf Hitler und Erich Honecker hatten ihre jeweiligen totalitären Vorstellungen vom deutsch dominierten Europa. Mit Angela Merkel gedeiht eines das durch die Blume spricht, aber nur verbrannte Erde hinterlässt: In Griechenland rechtsradikales Gedankengut in der Regierung, ein Pulverfass in der Ukraine europäische Nicht-EU-Länder als sichere Häfen für Steuer- und also Kapitalflucht, einen vom Parteibuch her sozialdemokratischen Wirtschaftsminister, der einer Vermögenssteuer die Absage erteilt, zunehmende Arbeitslosigkeit, mittelfristig negatives Wirtschaftswachstum, ein untaugliches Instrumentarium gegen die Ursachen der darüberhinaus nie verurteilten Täter der Finanzmarktkrise, einen Totalausfall bei der Aufarbeitung der Enthüllungen von Edward Snowden, staatliches Totalversagen gegen Rechts, usw.usf. Und Merkel maßt sich an der SPD im Bund zum Vorwurf für einen noch nicht ausgehandelten Koalitionsvertrag zu machen? Go fuck yourself, Mrs. Merkel.

  1. So viel verzerrtes Selbstbild allerdings auch nicht: Ab 17:51 erfährt der Zuhörer, das »Arbeitgeber und CDU/CSU & FDP Flächentarifverträge abschaffen wollten« und nun die sozialdemokratische, großzügige Arbeitsministerin Andrea Nahles angefleht hätten, den vorherigen Zustand wiederherzustellen. Doch der vorherige Zustand war in dem Fall eben nicht der das eine Gewerkschaft bei der Bahn mit dem Bund verhandelt, sondern das die Bundesbahn vernünftige Löhne für anspruchsvolle Jobs im Bereich der Daseinvorsorge geboten hat. Was von der Bahn übrig ist, auch dank Genossen nach Parteibuch wie Sigmar Gabriel, ist ein Flickenteppich von Dienstleistern, Subunternehmen, branchenfremder Logistiker, Zuschuss-abhängigen Regionalverkehr und trotz Wettbewerb unzureichend ausgestattetem Fernverkehr. Es ist unredlich und eine Farce, die Tarifeinheit für ein Unternehmen mit so vielen Externen zu erzwingen, weil es ausklammert das dies Unternehmen für alle die Niedriglöhne längst willige Vollstrecker vertragliche verpflichtet hat. []
  2. Wer noch nicht genug von unredlicher Argumentation zur Selbstvergewisserung hat, sollte den Worten des Parteivorsitzenden ab 32:58 lauschen, denn da kommt er abermals implizit auf den schon erwähnten Genossen a.D. Wolfgang Clement zu sprechen, dessen Nachfolger als so genannte Superminister für Wirtschaft er ja ist, und deren vordringlichste Themen ja die Energiewende waren, sowohl von Clement als auch von Gabriel. Denn welcher Genosse erinnert sich überhaupt noch an ein Projekt des „Superminister“ Clement, wohingegen sich noch jeder daran erinnern dürfte, das er vorgeblich das visionären Energieprogramms der hessischen SPD dieselbe am Sonntag vor dem Wahlsonntag prominent platziert in der Welt am Sonntag aus dem Hause Springer angegriffen hat und damit mit ziemlicher Sicherheit jene 8000 Stimmen kostete, die zum absoluten Wahlsieg fehlten. Und genau das Thema dient ihm als nächster ausführlich dargelegter Themenkomplex der voraus gegriffenen Rückschau auf die Erfolgsgeschichte der Großen Koalition, um zu erklären warum wir eben doch Kohle statt Atom bräuchten. Die größte Farce an seinen Darstellungen in der Sache ist allerdings, das er damit auch seine eigenen Anstrengungen als ehemaliger Bundesumweltminister in Abrede stellt, die ja auch ein Ende des Atomenergiezeitalter in acht Jahren zum Ziel und er derweil die Energiewende zu stemmen hatte. Doch er räumt es ein: Wir machen uns etwas vor, wenn wir glauben, Kohle und Kernkraft zugleich abschalten zu können. Die Kanzlerin, die wir mit der Großen Koalition weiter stützen, hat mit ihren Energiewendewenden sehr anschaulich ihre Flexibilität unter Beweis gestellt. Mindestens so wie die deutsche Industrie ihre mangelnde Flexibilität und Abhängigkeit von billigem Strom. Der Sigmar sagt uns das wir Wahlen mit »bezahlbarer Energie« gewinnen, unterschlägt aber das Erneuerbare billiger ist. Das Thema eignet sich als Beweis und Lehrstück dafür, das Sigmar Gabriel weder Deutschland in die Energiewende noch die SPD tatsächlich nicht in eine von der Union unabhängige Regierungsverantwortung führen will. Wer zwar die Hände nicht in den Schoss legt, sondern die falschen Hebel betätigt, handelt genau so falsch wie Kanzlerin Merkel, aber hat mit der Union immerhin die Chance ergriffen und ist bald so lang Kanzlerin wie ihr Mentor Kohl, während Sigmar Gabriel die SPD stabil bei jedem vierten von 70% der Wahlberechtigten hält und heute wie in drei Jahren nur vermag Vizekanzler zu werden, es sei denn er schafft es sich von Merkel zu emanzipieren – oder sie zu überleben. Ob das die SPD überlebt, wage ich allerdings zu bezweifeln. []
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