Super, Gauck!

Gauck hat sich weit aus dem Fenster gelehnt. So weit das, die Luft für ihn dünn wird. Er hält den Mund, wenn Neonazis getarnt als „Hooligans gegen Salafisten“ demonstrieren. Als er vor fast genau einem Jahr die AfD gerade mal als „populistisch“ bezeichnete, war das ja nur eine zutreffende Einschätzung und die Partei noch gar nicht endgültig definiert, dennoch schon auf klarem rechtspopulistischem Kurs. Das klingt schwer nach auf dem rechten Auge blind. Und zugleich greift er in die Regierungsbildung in Thüringen ein, wo unter Sozialdemokraten und Sozialisten gerade basisdemokratisch entschieden wird, ob das Land einen, den ersten Ministerpräsident mit Die Linke-Parteibuch erhält. Das klingt schwer danach als habe er Parteidemokratie nie begriffen, und er ist ja auch: angeblich kein Parteigänger. Trotzdem klingt er zudem wie Wolfgang Clement, dessen beste Zeiten längst vorbei waren als er aus den nordrhein-westfälischen Off die hessische Regierungsbeteiligung von Die Linke zu verhindern suchte noch bevor Wahlen war. Und er ergreift damit das Wort gegen jene, die als einzig nicht zu den Unterstützern seiner eigenen Wahl gezählt haben. Das klingt schwer nach alter Rechnung.

Es tut mir leid das sagen zu müssen, schließlich hielt ich seine Person für glaubwürdig und habe auch seine Kandidatur nach Kräften unterstützt, aber vor dem Hintergrund der unglücklichen Umstände oben fällt auch auf das die Verteidigung solcher Einlassungen seitens Gauck zunehmend auf „Das wird man man wohl noch sagen dürfen!“ stattfindet.
In dieser Situation scheint Gauck alle Hilfe gesandt zu bekommen, die er kriegen kann. Darunter ein Interview mit einem Dr., „BR-Parteiexperte“ Jürgen P. Lang. Der Dr. des bayrischen Freistaatsrundfunk wirkt mit seinen unbeholfenen Antworten und den beiden Titeln als brauche die Reputation von Herrn Gauck jetzt Titelverteidigung. Was bringt jenes Interview hervor? Eine Relativierung (»Der (Anteil der ehem. SED-Mitglieder in der heutigen Die Linke) geht natürlich immer mehr zurück.«), keine konkreten Zahlen (weder verhältnismäßig noch absolut), weswegen die bewusste Entscheidung für diese Partei wird Herrn Ramelow zum Vorwurf gemacht wird (»Ramelow hat sich einer Partei angeschlossen …«), es wird der Versuch unternommen die Partei zu divergieren (»Aufarbeitung findet statt, vor allem im Kreise der sogenannten Reformer«), wo „Fakten“ erwähnt werden, sind sie falsch (vgl. Statista Studio Altersdurchschnitt vs. »Die Parteibasis ist – weit mehr als bei den anderen Parteien – überaltert.«)
»Hat Gauck das Recht?« wird der Experte gefragt, der ja nur als Parteien-, nicht Politikexperte eingeführt wurde und seinen Dr. dementsprechend nicht in Politik gemacht haben muss. Und er antwortet mit: »Ja.«, um nach der einsilbigen Antwort sofort zum Gegenangriff über als sei die Frage Majestätsbeleidigung und er gehöre zur Leibgarde. Er stellt vage Unterstellungen auf, etwa das „Die Linke und (die) SPD verschweigen geflissentlich“, als müsse er mit dem Wort noch unterstreichen das er mit seinem Dr. zur bürgerlichen Eilte gehört. Und dann wird es hanebüchen: Er erwähnt Geburtstagsgrüße an Fidel Castro als Beleg für das weiterhin gefestigte Ideologie. Mit Verlaub: Die abgewickelte Blockpartei Ost-CDU ging personell und strukturell ebenso in die Union übergegangen wie die SED zunächst in die PDS und schließlich in Die Linke. In der Partei sind aber nicht nur ehemalige Regimestützen. Die scheidende Ministerpräsidentin hat ja auch eine einschlägige Karriere gemacht. Insofern wäre Ramelow eher ein Fortschritt für die Demokratisierung der Die Linke und der ostdeutschen Parteienlandschaft. Es geht Kritikern wie Gauck und dem Dr. also ganz klar: Nicht um die Demokratie, nicht gegen Die Linke, sondern nur um den Machterhalt der Union in einem ostdeutschen Flächenland mit Perspektiven. Diese so genannten Demokraten von konservativ bis parteilos hebeln mal eben Wahlergebnisse aus und führen dabei die Verhinderung (und also mögliche Entzauberung) von Die Linke im Schilde. Derlei Angriffe auf Die Linke sind nur Parteipolitik, um selbst in die Regierung zu bleiben oder zu kommen oder, im Fall Clement ./. Ypsilanti, linke Parteifreunde zu verhindern.

Und genau genommen sind das demokratische Vorgänge. Ob sich das die Gründer Bundesrepublik als auch die Architekten des wiedervereinten Deutschland so gedacht haben, wage ich zu bezweifeln.

Was ich aber noch schlimmer empfinde: 25 Jahre nach Ende der DDR geht der Bundespräsident des Nachfolgestaates auf Hexenjagd gen Linke. Wären nach 1945 alle ehemaligen NSPDAP-Mitglieder, die noch tätig geblieben sind, aus ihren Ämtern entfernt worden, hätten die konservativ-nationalliberale Parteienspektrum, deren Nachfolger Gauck vor Jahren ins Amt gehievt haben, alt ausgesehen. So aber auch.

Es sind wieder die Konservativen, damals das Zentrum, heute deren Nachfolgeorganisation Union, die mit Gleichmacherei zweier Schreckensherrschaften ein ekelhaft-zynisches Spiel treiben. Die deutsche Konservative hat sich nicht verändert. Niemals. Auch darin bleibt sie sich treu.

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