"Endlich schnelles Surfen, wo es keiner vermutet!"

… mit diesem Spruch vor einem Luftbild vor einer traumhaften Wegkreuzung im Grünen mit einem schwarz beschindelten Haus wirbt „T“ – deren voller Name in der ganzen Werbung nicht einmal mehr im Kleingedruckten auftaucht – um neue Kunden im ländlichen Raum. Und zwar nicht für DSL, sondern nur noch für „DSL-Tempo“. Der Slogan „Erleben, was verbindet.“ wirkt vor den in diesem Beitrag dargestellten persönlichen Beobachtungen zynisch.

Hinter „DSL-Tempo“ steckt eine neue Technologie, für die alte, analoge Mobilfunkfrequenzen verwendet werden. LTE wird als Nachfolger von UMTS verstanden, mit dem ortsungebundene Internetzugänge über so genannte Surfstick und ähnliches Gerät gewährtleistet wird. Doch wo steht ortsungebundenes also mobiles Surfen im Jahr 2011 überhaupt?

Mobiles Surfen anno 2011

Mobil surfen ist anno 2011 noch immer nur mit multipler SIM möglich, oder wie vor 15 Jahren. Denn selbst wenn man fast hundert Euro zahlt, ist nach 5GB Übertragungsvolumen Schluss mit UMTS, und man „surft“ mit Modemgeschwindigkeit, oder genauer: Schlechter. Damit man sinnvoll mobil surfen kann, müsste man sich mehrerer SIM-Karten bedienen. Das Downgrade auf eine herkömmliche Bandbreite findet statt, irgendwann ist das Limit erreicht, ganz egal ob es bei lächerlichen 300MB, einem oder fünf Gigabyte angesetzt ist. Das sind dann auch schon tarifliche Alternativen. Zur Verdeutlichung wird „ausreichend z.B. für den Aufruf von bis zu 4.000 Websites oder 50.000 E-Mails“ nachgeschoben. Fuck you! Anstatt UMTS-gestützt ins Netz zu kommen, wo es vielleicht noch nicht einmal DSL gibt, heißt es dann 9600 Baud-Modem Feeling, was der Übertragungsrate eines Telefax entspricht. In Ordnung, ich habe minimal abgerundet, doch im Grunde stimmt es: Wer vernünftig surfen will, d.h. automatische Updates für Browser, Betriebssysteme und alle andere Software aktiviert lässt, viele Mails mit Anhängen bekommt, dann und wann ein Netzwerk-gestütztes Backup auf oder von einem Server zieht, sollte sich mit Karten für seinen „UMTS-Stick“ respektive UMTS-fähigem Smartphone mit Tethering eindecken, denn was nach Aprilscherz klingt meinen die Provider bitter ernst. Nachdem ich verschiedene Läden verschiedener Provider aufgesucht hatte gab ich auf, die ernüchternde Bilanz war ein sich wiederholendes Gespräch etwa nach dem Muster: „Ja, das wissen wir, aber an das Limit kommen sie ohnehin nicht ran.“ Wenn die Meldung das nächste Mal kommt, gehe ich mal wieder bei so einem „Fachverkäufer“ und zeige ihm was nicht sein kann. Damit man es dem Verkäufer dann aber heimzahlen könnte, müsste man ja erstmal einen Vertrag eingehen. Denn soweit ich gesehen habe, wurden all die „flexiblen“ Tarife, mit denen man keine monatliche Grundgebühr berappt oder mittelfristige Verträge eingeht, der selbe Makel auferlegt: Trotz höherem Preis kein Mehr an Leistung. Heute dann stand sogar ein Vertreter vor der Tür, mit „16.000er DSL“ im Gepäck. Danke, zu Hause haben wir nicht einmal einen Fernsehanschluss, und das aus gutem Grund. Trotzdem danke ich höfflich und verabschiedete ich mich, während die Katzen uns um die Füsse nach Draussen abzuhauen versuchten. Mit „16.000er DSL“ kann man dann natürlich all die Updates laden, und einmal am Tag alles Mails abrufen oder das Backup machen, das man unterwegs ohnehin nur durchführt, wenn man verweilt. Doch darum ging es ja nicht, und darum gehts beim mobilen Internet nicht: Mobil heißt mitzunehmen, in einer Qualität die den heimischen Anschluss nicht vermissen läßt. Notebooks haben sich auch erst durchgesetzt, als sie handlich waren. Koffer große Geräte erfreuten sich nie der selben Beliebtheit wie Netbooks und Notebooks. Was ihnen noch fehlt ist echt mobiles Internet, und da ist die Bandbreite längst nicht das einzige Problem.

Die größte Frechheit bei alldem: Die Politik lässt sich vom zu Anfang angedeuteten Monopolisten derzeit dermaßen peinlich über den Tisch ziehen, und legt für Infrastrukturprojekte auf dem Land Millionen Euro auf den Tisch, nur um dem ehedem staatlichen, nunmehr privaten Kommunikationsunternehmen mit allerlei riskanten Auslandsengagements mehr Kunden zu höheren Preisen zu sichern. Millionen für Breitband-Anschlüsse, trotzdem sind Millionen mit Modem-Qualität unterwegs. Millionen für breitbandige DSL, aber irreführende „Flatrate“ und das schmale Breitband sind echt eine Schande für Deutschland im Informationszeitalter, anno 2011 wohlgemerkt.

Zugegeben kritisiere ich hier auf hohem Niveau, jeder Vierte ist offline. Doch sind auch 8 Millionen Analphabeten, und jeder siebte an der Armutsgrenze. Das ist das hohe Niveau von dem herab ich hier kritisiere. Deutschland müsste alles daran setzen, die klaffende Lücke zwischen Anspruch („Industrienation“ im „Informationszeitalter“) und Wirklichkeit (real existierende Armut und Bildungsdefizite eben beispielsweise) zu eliminieren. Mit einem Armenhaus findet sich das unser so eingebildetes Staatsgebilde demnächst in der Kreisliga wieder. Da hatte Helmut Schmidt recht.

Modem-Qualität für Millionen

PS: Wer sich mal ansehen will wie es um unsere Wireless Broadband Penetration steht, sollte sich vorher in Erinnerung rufen, welche andere große „Industrienation“ grad am Abgrund steht und einen ähnlichen Produktportfolio aufweist – nämlich die USA. Mit Merkel und Wulff an der Spitze sind wir demnächst einen Schritt weiter.

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