Hatz auf Hartz IV-Empfänger

Roland Koch wirkt wie von der Leine gelassen: Herrchen Merkel beschwichtigt über die selben verwelkenden Leitmedien, in denen Koch mit fletschenden Zähne verbreiten lässt, „Schmarotzer“ mögen sich in nächster Zeit warm anziehen. Koch bellt. Die Million Hartz IV-Empfänger, die sich seinen üblen Populismus verbreitenden Journalismus längst nicht mehr leisten können, sind von der »Hatz auf Hartz IV-Empfänger« unbeeindruckt und verurteilen weiterhin »“Genosse der Bosse“ Gerhardt Schröder«. Angela Merkel relativiert die Äußerungen des beißwütigen Landesfürsten über die selben Medien, in denen noch wenige Zeilen, Seiten oder Ausgaben zuvor mit vollem Genuss auf diejenigen eingeprügelt wurde. Unfassbar, wie durchschaubar, unglaublich wie gut das Theater der beiden augenscheinlichen Kontrahenten funktioniert.

Placebo für Stammtische

Koch und Merkel scheinen für den oberflächlichen Beobachter in heller Aufregung, über „die Schmarotzer“ oder den Kollegen. Während Koch wie üblich mit Schaum vor dem Mund über dem soeben identifizierten Übel mit den Wölfen an den Stammtischen der Republik heult, beschönigt Merkel seine »Hatz auf Hartz IV-Empfänger«, indem die dem dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte entlehnten Strafmaßnahmen sogleich als überzogen korrigiert werden: Niemand hat vor Zwangsarbeit einzuführen. Wer nicht genau hinsieht, könnte meinen Merkel und Koch lägen im Clinch und es ginge tatsächlich um missbräuchlichen Bezug von Transferleistungen.

Dreamteam Merkel/Koch

Doch Merkel und Koch sind sich im Grunde einig. Während Koch vordergründig einem Trüffelschwein gleich auf der Suche nach nicht näher differenzierten „Schmarotzern“ ist, die in zwischen Bürostühlen angebrachten Hängematten ausruhen, bedient Merkel die konservative Leitkultur. Merkel und Koch funktionieren wie Koch und sein hessischen Parteifreunde, denen der aufträgt Merkel über Mainstream-Medien ins Kreuzfeuer zu nehmen um sie im Anschluss selbst in Schutz zu nehmen zu können. Roland Koch beherrscht das Theater, im Bundesrat wie in der veröffentlichten Meinung. Angela Merkel aber ist um keinen Deut besser.

Klientelpolitik und Kuhhandel

Koch und Merkel müssen in den kommenden Jahren Haushalte stemmen, die ihnen den Atem nehmen. Da gilt es bei denen den Hebel anzusetzen, die sich dagegen nicht wehren können. Den Hebel haben die „Liberalen“ bereits bei einer dreistelligen Kürzung der Leistung angesetzt, schließlich funktioniert die Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner ähnlich prächtig wie dessen Klientelpolitik: Während die „Liberalen“ einerseits die Leistungen zu halbieren beabsichtigen, streichen sie für eine volkswirtschaftlich völlig überflüssige Steuererleichterungen für Hoteliers ihre höchste Parteispende ausgerechnet von einem Hotelier ein – ein Schelm wer Böses dabei denk. Fazit des Kuhhandels: Den wirtschaftlich Schwächsten der Gesellschaft wird abermals die schwache Wirtschaft in die Schuhe geschoben, und die „freien“ „Liberalen“ prostituieren sich für das Gastgewerbe. Widerlich.

Mehr Fordern, Weniger Fördern

Das passiert vor unser aller Augen, jetzt. Und es ist nur die Spitze des Eisberg. Zunächst wird Zwangsarbeit nur von unbeliebten Politikern wie Roland Koch in die Diskussion eingebracht, der hierfür Kritik kassiert aber auch für seine Teflon-ähnlich Kritikfähigkeit bekannt ist. In der Folge reiben sich Mainstream-Medien daran, Opposition pariert, Mainstream-Medien reiben sich daran. Nachdem der Verursacher der Diskussion deren Abebben verspürt, legt der mit einem neuen Statement nach, in dem die ursprüngliche Absicht unterstrichen wird. Mittelfristig wird das Thema so lang warm zu halten, bis die Zustimmung in der Bevölkerung durch einschlägige Berichterstattung derart manipuliert wurde, das sogar bekennende Christen keine Einwände hätten, das der lang arbeitslose Facharbeiter von nebenan am Morgen um 5 Uhr auf einen Lastwagen verladen zum händischen Mähen des Rasens auf den Rasen um das Schloss Erbach gefahren wird, aus dem der verarmte Adel beim 6 Uhr Tee zuschaut. Dann wird ein Kompromiss gefunden, der das Szenario verhindert, milde, „freiwillige“ Arbeitseinsätze, mehr Offenbarung gegenüber den Agenturen, mehr Hausbesuche und eine Rücknahme des Vorhabens zur Altersversorgung gedachte Ersparnisse vor dem Zugriff des Staates zu schützen.

Konservative Leitkultur = populistische Wirtschaftspolitik

Jahrzehnte verfehlte konservative Industrie- und Agrarpolitik den Wandel, mit einer ganzheitlichen Wirtschaftspolitik müsste Deutschland in die in den 1990er Jahren diskutierte Dienstleistungsgesellschaft und aus der Leih- und de facto bestehende Zwangsarbeit geführt werden. Das Geld für Wirtschaftsförderung aber ist aus, werden wir in den kommenden Jahren öfter zu hören bekommen, vor allem von den Konservativen im Bund, in den Ländern und auf der Ebene der Kommunen. Wenn das Geld bei den (Landes-)Banken nicht nur angekommen sondern bereits wieder verbrannt sein wird, wenn Wirtschaftskrise vom Bürger reflektiert bei den Regierungen ankommen wird, werden die Sparmaßnahmen noch viel deutlicher ausfallen. Die Situation im Bund, in den Ländern und auf kommunaler Ebene wird sich in den nächsten Jahren dramatisch zuspitzen, nicht zuletzt wegen untauglicher Maßnahmen wie dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz und einem Hunderter pro Hartz IV-Empfänger.

»Volkspartei für jeden« … unreflektierten Vollidiot

Das muss Teil der neuen Strategie sein, mit der Merkel & Co. dem Koalitionspartner FDP Wählerstimmen abnehmen möchte und CDU/CSU wieder zur »Volkspartei für jeden« umformen wollen. Mit diesem Fazit, das dem Papier der jüngsten Klausurtagung der demokratischen Rechten CDU/CSU entnommen ist, bestätigen die beiden Schwesterparteien mehr oder weniger unfreiwillig, das man die 35 Prozentpunkte zur Kenntnis genommen hat, sich selbst nicht mehr als Volkspartei begreift und nicht zuletzt auch die FDP für den gefährlichste Gegner hält.

Merkel sieht der Krise gebannt in die Augen, erstarrt wie ein Kaninchen. Koch übt sich im Schattenboxen, authentisch populistisch. Freiherr zu Guttenberg wird von seiner Partei noch über die Wahlen in Nordrhein-Westfalen gerettet, danach vermutlich in das nächste Ressort entlassen. Jürgen „die Rumänen und Chinesen“ Rüttgers mimt den vorbildlichsten Sozialdemokraten im schwarzen Gewand. Deutschlands Konservative sind ein erbärmlicher Haufen Versager, schließlich ließe sich diese Aufzählung unendlich fortsetzen. Jetzt wird es langsam Zeit, das die verbliebenen 3 Millionen Leser BILT zur Seite legen, die zugespitzten Halbwahrheiten wieder gegen Realität eintauschen, und bitte keine Extremisten wählen.

Update #1: Der Vorstoß von Koch weckt kreative Geister.

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