Lange Bank oder wechselnde Mehrheiten
Merkel musste unmittelbar nach der Nominierung, noch vor der Vereidigung ihres neuen Finanzminister seine Berufung in das neue Kabinett retten, und schon droht neuer Ungemach für SchwarzGelb. Das Prestigeprojekt der FDP, eine umfassende Steuerreform, mit Fokus auf Unternehmenssteuern, steht am Tag nach der Regierungserklärung von Kanzlerin Merkel bereits zur Disposition. Besagte Personalie ist nunmehr Fakt, Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble beerbt den allseits beliebten Peer Steinbrück, und sieht sich erster Kritik aus der eigenen Koalition ausgesetzt. Zur Seite steht ihm der ebenso in der Kritik stehende Finanzstaatssekretär Assmussen, an dem Kritik aufgrund seiner Entscheidungen in der Finanzmarktkrise abprallt wie Wasserdampf an Teflon. Beide haben soeben eine »grundlegende Steuerreform in den kommenden vier Jahren ausgeschlossen« und damit eben jenem zentralen Vorhaben der Liberalen die rote Karte gezeigt. „Wenn Herr Schäuble sich weigert, den Gesetzentwurf zu machen, dann übernimmt die FDP das“, zitiert die Rheinische Post FDP-Vize Andreas Pinkwart. Pinkwart erpresst den Finanzminister in gewisser Weise, denn natürlich wäre eine Mehrheit jenseits von SchwarzGelb möglich, würde allerdings für den Bundestag neue wechselnde Mehrheiten nach sich ziehen. Der Druck auf lastet derweil nicht nur auf Schäuble, auch Kanzlerin und Parteivorsitzende Merkel muss sich bemühen, die Kuh so schnell wie möglich vom Eis zu bekommen. Die Kurzschlussreaktion der FDP, zurückzuführen auf den dramatischen Einbruch bei den Umfragewerten infolge durch den Koalitionsvertrag de facto gebrochener Wahlversprechen, könnte schnell zu einer Kettenreaktion führen, und wenn der „Chefin“ der Laden jetzt auseinander flöge, der Bundestag in den kommenden vier Jahren für jede Entscheidung neue Mehrheiten finden müsste, wäre das zuallerletzt förderlich für eine weitgehend kompetenzfreie erste Reihe in CDU/CSU. Dem Ende von SchwarzGelb folgt dann die Ablösung der ersten und zweiten Reihe in der CDU/CSU, mitsamt ihrer längst überfälligen Landesfürsten. Die Krise der zweiten großen Volkspartei greift längst um sich, das Knirschen im Gebälk wird unüberhörbar. Fraglich ist nur, ob die FDP Rückgrat beweist, oder sich auf die lange Bank schieben lässt und wieder in die Bedeutungslosigkeit abgleitet, aus der sie an der 5 Prozent-Hürde entlang schleichend, als Appendix der Union gekommen war.