Theatertralik in der Politik
Denkwürdig war der Auftritt der Ministerpräsidenten der CDU-regierten Bundesländer, an ihrer Spitze Roland Koch, im Bundesrat, als es zur Abstimmung über das Zuwanderungsgesetz kam. Kein Wunder, das Koch damals nicht rot wurde, hatte er doch drei Jahre zuvor mit einer ausländerfeindlichen Unterschriftenaktion seine xenophobe Kampagnenfähigkeit unter Beweis gestellt – und mutierte 2007/2008 zum Wiederholungstäter. Dem zuzugegeben einzigartigen Vorgang, das sich die Spitzen eines Bundeslandes trotz Regierungsbündnis, wegen grundsätzlich unterschiedlicher Gesinnung – SPD für geordnete Zuwanderung, CDU wie übliche gegen Ausländer – nicht zu einem einheitlichen Abstimmungsverhalten hinreißen konnte. Denkbar knapp war das Ergebnis, und dementsprechend gut vorbereitet die Reaktion. Roland Koch polterte »Eiskalter Rechtsbruch« und verlies seiner langen Nase folgend das Parlament, ihm folgte beispielsweise Peter Müller – damaliger und morgiger Ministerpräsident von Grünen Gnaden im Saarland. Müller würde tags drauf einräumen, das die Empörung gespielt, das Verhalten abgestimmt war.
Ehrlicher, aber auch geschmackloser, weil das Schicksal der Menschen in der DDR verharmlosend, war da schon Dieter Dombrowski (CDU). Dieser „Demokrat“ brachte es doch fertig – 20 Jahre nach der Wiedervereinigung wohlgemerkt, während der Vereidigung von Ministerpräsident Platzeck (SPD) in Häftlingsuniform der Staatssicherheit durch das Parlament zu marschieren. Platzeck erhielt zwei Stimmen weniger als die ihn souflierende Koalition, allein das ist schon Zeichen genug dafür, das Die Linke als Nachfolgerin der PDS mehr über Demokratie gelernt hat, als die Blockflöten der CDU. Denn sozialistische Ergebnisse gibt es bis zuletzt eben nur bei der Partei, der Dombrowski angehört1, und deren Leitlinie, frontal gegen Ausländerung und „Kommunisten“ zu hetzen, kaschieren ihre Zusammenbruch bislang noch, anders als den der zweiten Volkspartei.
Nachdem die Christdemokraten zuerst hemmungslos Persilschein-verkleisterte, „entnazifizierte“ NSDAP-Kader nicht nur vereinnahmte, sondern sogar in höchste Ämter beförderte, hatte sie später kein Problem damit die gesamte Ost-CDU samt Mann, Maus und Vermögen zu übernehmen. Wieder zehn Jahre später deklarierte man illegale Parteispenden als jüdische Vermächtnisse. Diese Partei, ihre Mandats- und Funktionsträger, die sich seit jeher der Komplizenschaft, des Mitläufertums und eines rechtskonservativen Milleus bedient haben und versichern konnte, marschiert also am Tag der Vereidigung einer demokratisch legitimierten Regierung in Gestalt von Dieter Dombrowski durch das Brandenburger Parlament. Wenn ich zugegen gewesen wäre, und auch wenn ich Geschichte zum Großteil nur erzählt bekomme haben mag, hätte Herrn Dombrowski höchstpersönlich geerdet, und das sage ich als überzeugter Pazifist, der – mit Ausnahme weniger Schulhofschlägereien, die keine waren – sich nie geprügelt hat, nie Wehrdienst bestritten und ansonsten auch nur mir selbst gegenüber handgreiflich geworden bin.
Leuten wie Roland Koch und Dieter Dombrowski wird dann noch von der konservativen Presse applaudiert, und der Pöbel finde es gut. Ich könnte kotzen, und verabschiede mich daher lieber spät als nie. Und mit den Worten: »An den Taten sollt ihr sie messen.« Von den nun berufenen Ministern, Helmuth Markov (LINKE), Rainer Speer (SPD), Holger Rupprecht (SPD), Günter Baaske (SPD), Anita Tack (LINKE), Ralf Christoffers (LINKE), Volkmar Schöneburg (LINKE), Jutta Lieske (SPD) und Martina Münch (SPD), ist über die Mitgliedschaft in der SED hinaus keine Systemtreue zu erkennen. Dieters Dombrowskis Parteifreunde von der CDU können da nicht durchgängig keine weißen Westen vorweisen. Beate Blechinger beispielsweise, bislang Justizministerin, trug »parteiinternen Streitereien während des Jahres 2007 immer zahlreicher vor Brandenburger Gerichten«, was hessische Parteigänger bisweilen als Hexenjagd und Inquisition historisch falsch und demokratisch verlogen verunglimpfen. Glaubt man Wikipedia und dem RBB-Politmagazins KLARTEXT habe »der Staatsanwaltschaft im Verfahren gegen einen missliebigen JU-Ortsvorsitzenden Weisung erteilt«. Auch ein Verständnis von Weisungsbefugnis oberster Dienstherren, allerdings eher eines das im Sozialismus üblich war. Auch die Biographie des ehemaligen DDR-Innenminister Peter-Michael Diestel, laut Wikipedia wiederum »Schwimmlehrer, Bademeister und Rinderzüchter«, auch als Strafverteidiger des »früheren VW-Personalvorstand Peter Hartz« bekannt geworden, ist beeindruckend. Erschreckend die Vorgänge um Sven Petke, selbst oder gerade wenn man die E-Mail Affäre unbeachtet lässt. Vielzahlig sind weit über 20 Jahre währende CDU-Mitgliedschaften, mancher Christdemokrat im Vorstand und Fraktion feierte oder feiert demnächst 40-jährige Parteimitgliedschaft. All das also zu jeweils der Hälfte als Blockflöte die SED unterstützend, als „Demokraten“ gegen die PDS wetternd. Man will sich angesichts so herausgehobenen DDR-Erbes in den Reihen der Christdemokraten garnicht vorstellen, was noch so alles an „Parteileichen“ aus der Ost-CDU übernommen wurde. Exklusive Rechte an Hetze gegen vermeintliche Kommunisten jedenfalls steht der Partei nicht zu. Vielmehr sollte man sich lieber mal mit der eigenen Geschichte auseinandersetzen, dazu empfehle ich einen Abend mit der ehemaligen FDJ-Funktionären für Aggitation und Propaganda, Angela Merkel, sie führt Partei und Regierung schließlich – nur wohin? Ich stelle mir das jetzt sehr bildlich vor, Angela Merkel in ihrer FDJ-Uniform, Dieters Dombrowski als Parteifreund und selbstinszenierendes Opfer der Staatssicherheit, diskutieren 20 Jahre nach der Wende über die allgegenwärtige Gefahr des Kommunismus, wohlgemerkt aus den abgestützten Trümmern des Kapitalismus, wahlweise dem neuen Sony-Center oder dem Foyer des privatisierten Berliner Hauptbahnhofes. Großes Kino™!
- ausweislich bspw. des Wahlergebnis von Roland Koch als CDU-Vorsitzender 2008, nach der dramatischen Niederlage seiner Partei [↩]