Besser spät als ausgespäht
Jeder blamiert sich so gut er kann, »die beste Bundesregierung seit der Wiedervereinigung« blamiert sich eben bis auf die Knochen. Willy Brandt ist zwei Wochen nach Aufkommen der Guillaume-Affäre zurückgetreten, Merkel ist nach fünf Monaten immer noch im Amt. Mit welchen rhetorischen Kniffen sie das macht sei hier nochmal in chronologischer Reihenfolge aufgelistet.
Abhören von Freunden, das ist inakzeptabel, das geht gar nicht. Wir sind nicht mehr im Kalten Krieg.
Nein, wir sind im Krieg gegen den Terror, und die deutsche Bundesregierung hat das Ausspähen seiner eigenen Bürger in verschiedenen Rahmen wie der Vorratsdatenspeicherung immer als alternativlos dargestellt. Überhaupt wird auch heute, 5 Monate danach immer noch Terrorismus als Veranlassung für die totale Überwachung der deutschen Bevölkerung angeführt. Das Merkel nun in das Fadenkreuz geraten ist, widerlegt das ganz offensichtlich. Demnächst dürfte also ein noch stärkerer Gegner ausgemacht werden, vermutlich aggressiv auftretende Außerirdische.
Die amerikanische Regierung ist kein Objekt der Beobachtung deutscher Dienste. Ich gehe davon aus, dass auch die US-Sicherheitsbehörden unsere Entscheidungsträger nicht ausforschen.
Der gute Wille zählt, Kontrolle ist besser: Man hätte die Infrastruktur aufrüsten können und die Maßnahmen gegen alle Bürgerinnen und Bürger abrüsten. Stattdessen werden die nächsten Monate noch zahlreiche Details der deutschen Dienste öffentlich, die Merkel, Friedrich und Pofalla noch in eine Reihe mit autoritären Systemen setzen wird. Persönlich freue ich mich zur Zeit wirklich über jeden neuen Fakt, auch wenn sich faktisch noch nichts ändert. Diejenigen die noch behaupten da sei nichts, man tue nichts und wenn dann doch etwas heraus kommt die eigenen Aussagen in der Sache relativiert werden langfristig, werden entweder den dazu passenden hoch autoritären Staat errichten müssen um ihre Macht zu verhalten, oder langfristig ins Nirvana abgleiten.
Mir selber ist nichts bekannt, wo ich abgehört wurde.
»Wo« macht den Weg frei, später zu behaupten, man habe es gewusst und nie etwas anderes behauptet. Handelt sich um eine sprachliche Formulierung wie die NSA-Affäre nie beendet erklärt zu haben: Es wird einfach behauptet, etwas anderes gemeint zu haben. Die passendste Selbstdarstellung der Kanzlerin dazu wäre diejenige zu ihrer Vergangenheit in der DDR-FDJ: Sie erklärte öffentlich nicht gelogen aber auch nicht alles gesagt zu haben.
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Sicherheit ist ein Supergrundrecht.
Als Friedrich sich in das Supergrundrecht Sicherheit verstieg wurde mir schlecht, ich versuchte mich an die im Vergleich herabgesetzte Würde des Menschen und die anderen 19 Artikel des Grundgesetz, das als Lehre aus dem Nationalsozialismus gezogen wurde. Das ein Volljurist wie Friedrich lässt einen zudem besorgt um die Qualität der juristischen Ausbildung in diesem Land schauen. Andererseits landet in der Politik nur wer woanders nicht noch mehr Schaden anrichten soll, sagt der Volksmund.
Es ist nicht meine Aufgabe, mich in Details von Prism einzuarbeiten.
Dafür hat sich PRISM in Merkel eingearbeitet. Sich in PRISM einarbeiten! Delegiert hat sie die Aufgabe aber offensichtlich auch nicht. Was ist von einer angeblich mächtigen Frau zu halten, die ihre Macht weder ausübt noch lässt?
Alle Verdächtigungen, die erhoben wurden, sind ausgeräumt.
Sag niemals nie. Oder um es mit Twitter zu sagen: Zugegeben wurde bisher nur was öffentlich bekannt ist.
Der Vorwurf der vermeintlichen Totalausspähung in Deutschland ist nach den Angaben der NSA, des britischen Dienstes und unserer Nachrichtendienste vom Tisch. Es gibt in Deutschland keine millionenfache Grundrechtsverletzung.
Pofalla, der für die Dienste ja zuständig ist, muss entgangen sein, das seine Dienste den USA nicht nur Erkenntnisse teilen, sondern gesammelte Daten aus der Überwachung 1:1 übergeben. Nochmal in aller Deutlichkeit: Der deutsche Geheimdienst schöpft aus der hiesigen Kommunikationsinfrastruktur ab was geht, und übermittelt das gesammelte Kommunikationsverhalten ungekürzt an die Kollegen aus den USA. Zugleich behauptete Pofalla, das schwache Glied zwischen Kanzlerin und Geheimdienst, behauptet derweil vor laufenden Kameras und Diktiergeräten all das geschehe überhaupt nicht.
Ich habe keinen Grund, an den Angaben der USA zur Einhaltung deutschen Rechts zu zweifeln.
Mal im Ernst: Warum sollte die USA einen Grund haben nicht nur US-amerikanisches sondern auch deutsches Recht achten? Die USA müssten ja auch die Rechtsvorschriften aller anderen Opfer der Überwachung achten. Da achtet man als Deutscher ja oft nicht drauf, das es auch andere Interessen gibt.
Was wir heute hier erleben ist die Fortsetzung des rot-grünen Sommertheaters. Wie erkläre ich einen Skandal, der keiner ist.
Ein Skandal ist das keiner ihn als solchen behandelt, jedenfalls nicht in der Regierung, nicht in den Regierungsfraktionen, nicht in der „Partei der inneren Sicherheit“.
Das ist kein Thema der Politik. Die neuen Vorwürfe, die kommen, sind ein Thema zwischen der amerikanischen Regierung, der NSA und den Herstellern. Damit haben wir in Deutschland nichts zu tun und ich sehe auch keine neue Eskalation des Skandals.
Herr Mißfelder ist ja nicht mehr der Jüngste, aber auch nicht so verkalkt wie die meisten seiner Kollegen. Trotzdem schiebt der schwarze Philipp den schwarzen Peter den Verursachern zu. Das ist ziemlich genau so wie dem Einbrecher die Aufklärung seiner Straftat zu übertragen und sich dann zu wundern das die Aufklärungsquote gen 0 konvergiert.
Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht.
Freunde meint hier natürlich nur persönliche Freundschaften. Das Obama Merkel überwacht geht folglich nicht, aber wenn die NSA 80 Millionen Bundesbürger ausspionieren, hilft der Bundesnachrichtendienst auf dem kleinen Dienstweg.
Da werden 80 Millionen Menschen bzw. 500 Millionen Kommunikationsvorgänge systematisch vom Bundesnachrichtendienst abgehört und an den NSA weiter gereicht, und niemand in der Bundesregierung will davon gewusst haben. Das ist natürlich gelogen. Natürlich wussten der für Spionage und den Bundesnachrichtendienst zuständige Kanzleramtsminister das seine Chefin einen effektiveren weil technisch ausgefeilteren Überwachungsstaat als die Deutsche Demokratische Republik aufgebaut hat. Natürlich wusste Friedrich nur zu genau das der Kollege Kanzleramtsminister davon wusste. Und natürlich hat die Kanzlerin an der Grenze zur wahrheitswidrigen Falschaussage an ihrer Behauptung festgehalten, das sie nichts davon wüsste das sie abgehorcht würde: Der Vorgang war beendet worden, danach wurde das fragliche Handy sofort abgeschaltet. Das jetzt seitens eines1 Pressesprecher Falschaussagen der Bundesminister kassiert werden, die noch im August die NSA-Affäre für beendet erklärt und alle Vorwürfe für entkräftet erklärten. Wenn dann noch von der Bundesregierung behauptet wird, wichtige Unterhaltungen würden per Festnetz geführt, was suggeriert das dies nicht abgehört werden könne, der Regierung aber klar sein dürfte das nur die Endgeräte kabellos sind und dahinter die selbe Infrastruktur lauert um Gespräche durchzuleiten, die zwar verschlüsselt werden mögen, für die Technik aber bei der NSA Nachschlüssel hinterlegt sind, dann wird immer deutlicher das die „beste Bundesregierung seit der Wende“ die 80 Millionen Opfer der Ausspähaffäre seit fünf Monaten an der Nase herumführt. So erbärmlich wie diejenigen, die sich als Experten für Innere Sicherheit nur deshalb so an ihre Posten klammern, weil jedes Schuldeingeständnis die Kompetenzwerte in der Sache sofort sofort auf Null-Niveau befördern. Nach der Energiewende, bei der die Kanzlerin und Peter Altmaier schon eindrucksvoll ihre Wendehälse rotieren ließen, und bei der bevorstehenden Kehrtwende beim Mindestlohn, der angeblich mit der Union nicht zu machen sei, steht die Union nun ganz ohne Werte da. Fürchte, das sie dadurch vielen Wählerinnen und Wählern noch sympatischer wird, das sie das mit ihr teilen.
Quellen
- tagesschau: Aussagen der Bundesregierung im Rahmen der US-Spähaffäre
- Bundespressekonferenz: Festnetz gegen Überwachung
- Causa Pofalla wird neu aufgerollt
- !, nicht des, Herrn Seibert also, der so langsam seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen versucht [↩]