Wendehälse in der Politik
Diejenigen, die sich noch daran erinnern können, wie Hermann Scheer ideologische Debatten gegen konservative Hardliner über Kernenergie in der Post-Tschernobyl-Zeit führen musste, werden langsam genau so selten wie Überlebende und Veteranen aus dem zweiten Weltkrieg. Und man sagt bisweilen, das Sprichwort, demnach »mich mein Geschwätz von gestern nicht zu stören habe«, sei in der Politik am besten aufgehoben, trotzdem die meisten guten Vorsätze schon am 1. Januar von Jedermann/-frau gebrochen werden. Aber die bemerkenswertesten 180° Wendungen hat doch immer noch die Union und allen voran ihre Kanzlerin hingelegt. Da wäre beispielsweise der multiple Mut zur Kehrwende bei der Energiewende. Mal dagegen – vor der Wahl, mal dafür – kurz nach Fukushima, mal dagegen – als die Energiewende davon galoppierte und mit dem wichtigsten Spendern der CDU/CSU hinterher hinkten. Oder als man sich erst einen Scheißdreck darum kümmerte, das 80.000.000 Bundesbürger überwacht wurden; aber als herauskam das eine mickrige Uckermärkerin abgehört wurde brach (zumindest für den Augenschein) Armageddon über die Atlantikbrücke hinein. Oder als aus der Merkelsteuer in der ersten großen Koalition nach der Wende tatsächlich der Mehrwertsteuersatz wurde, den wir heute kennen. Oder jetzt wieder: Kryptographie, so hieß es nach Paris, müsse gesetzlich verboten werden. Der Staat muss in die Lage versetzt werden, seine Bürger auszuspionieren. Und was folgt? Drei Mal dürft ihr raten, und dabei sogar zwei Mal zuvor eine 180° Wende hinlegen und trotzdem richtig liegen:
Wendehälse in der Politik via Twitter kommentierenIrre ich mich, oder widerspricht der feine Herr de Maiziere nicht selbst? Als in Paris die Schüsse fielen hatten dieser bekloppte Brite meines Wissens das Patentrezept Anti-Krypto-Gesetz auf der Pfanne, und Thomas d. M. wollte sofort nachkochen. Und jetzt? Der hat bei der Kanzlerin in Sachen Energiewende gelernt: Wendehälse bringen es ganz weit.