Lobbyismus und Mainstream-Medien in perfekter Harmonie am lebenden Exemplar

Bloggende Lobbyisten sind Widerspruch in sich, aber in ihrem jüngsten Beitrag liefert die »Stimme ökonomischer Vernunft« noch mehr Widersprüche: Unter dem Titel »Jobkiller: Jetzt erst recht« gibt man sich dort wieder einmal mehr dem Exorzismus des Mindestlohn hin.

Anlaß dazu gäbe einerseits eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) unter 20.000 Unternehmern, verlinkt werden aber lediglich eine 6 5 Seiten und einen halben Absatz schwache Zusammenfassung, neudeutsch: executive summary.

Viel Neues liefert eine Umfrage unter generell unsicheren und ohnehin von der Finanzmarktkrise verunsicherten Unternehmern dann auch nicht. Trotzdem zeige die Umfrage »wovor fast alle Ökonomen seit Jahren gewarnt haben: Mindestlöhne sind Jobkiller.«

Folglich muss jemand fast alle Ökonomen einmal befragt haben, was ja im Vergleich zur befragten Gruppe betroffener Marktteilnehmer noch eher wissenschaftlichen Charakter hätte. Wer jedoch bei Google sucht wird unter den ersten Suchergebnissen zu einschlägigen Suchbegriffen Ökonome und Wirtschaftswissenschaftler nicht fündig. Ausschließlich Dokumente der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) finden sich, hiernach gesucht, denn tatsächlich existiert keine übereinstimmende Einschätzung über die Wirkung von Mindestlöhnen, wie das vom Autor suggeriert wird.

Weiter heißt es im Beitrag, jeder fünfte vom Mindestlohn betroffene Arbeitgeber würde mit Abbau von Arbeitsplätzen reagieren – im strukturschwachen Osten wäre es sogar jeder dritte Arbeitgeber. Geringqualifizierte wären überproportional von Entlassung betroffen. Hierbei sollte man nicht unbeachtet lassen, das befragte Unternehmer noch unter dem Eindruck der Finanzmarktkrise stehen und entsprechend pessimistisch in die Zukunft blicken.

Vor Ende des Beitrags wird endlich deutlich, worauf man mit diesem Beitrag kurzfristig reagiert: Der Mindestlohn ist rechtswidrig, entschied kürzlich das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Ohne den Artikel der Bild selbst zu verlinken, stößt man bei der Suche nach einem entsprechenden Urteil bei der Suchmaschine Google zuvorderst auf eine von Bild hierüber veröffentlichte Nachricht, indem davon die Rede ist das Gericht habe dem Bundesministerium Kompetenzüberschreitung bescheinigt und feststellt das der Mindestlohn in dieser Form in einem Gesetz hätte geregelt werden müssen. Pikanterweise garniert der Autor den Beitrag hierbei mit einer Legende von tausenden Entlassenen bei der PIN Group, dessen größter Anteilseigner, Axel Springer AG, seinerzeit seinen massiven Widerstand gegen das Mindestlohn-Vorhaben ankündigte. Schützenhilfe liefert also eben jener erklärter Gegner des Mindestlohn mit einem im Beitrag Artikel erwähnten Urteil über den Mindestlohn, der ehedem selbst an einem dem Mindestlohn unterliegenden Unternehmen beteiligt war und sich dessen im günstigen Moment der Einführung dessen durch Konkurs entledigte und damit ein Zeichen setzen wollte. Wenn mich meine Erinnerung allerdings nicht trübt, stellte sich im zitierten Fall keineswegs der Mindestlohn als ursächlich heraus, sondern die knappe hauseigene Kalkulation des Unternehmens.

Fazit: Gut bezahlte Autoren eines von einer Lobbyisten-Organisation veröffentlichten Blogs berichten über eine von einer anderen Lobbyisten-Organisation veröffentlichten Umfrage unter verunsicherten Unternehmern.

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