Der Videobeweis kommt!?
»Die Polizei schießt zu viel.« Diesen spitzfindigen Namen hat sich die taz für ihren Artikel gegönnt. Der Titel ist versöhnlicher: »Filmen auf Demos: Polizei übertreibt Überwachung«. Darin geht es um den Videobeweis, und zwar nicht – oder nicht nur – den im Stadion, er behandelt vielmehr das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts, mit dem das Gericht Polizisten Verdacht-unabhängige Videoaufnahmen verbietet. Das dies Urteil in Berlin, ausgerechnet am Schmelztiegel der Deutschen Demoszene, gesprochen wurde, dürfte mit einer gewissen Genugtuung bei den Demokraten angekommen sein, die trotz Polizeigewalt, allgemeinem politischen Desinteresse und Repressalien durch die Häuserschluchten ziehen und ihre politische Meinung zum Ausdruck bringen.
Das dies Urteil nicht uneingeschränkt gut ankommt, war zu erwarten. Das es nicht ohne weiteres hingenommen wird, ebenso. Das die Reaktion hierauf so reflexartig erfolgen, und sich auch noch ein Sozialdemokrat am Grundrecht freien Demonstrationsrechts vergeht, konnte jedoch keiner erwarten: Im selben Presseerzeugnis wird noch am selben Tag vermeldet, »Innensenator Ehrhart Körting (SPD) erwägt, der Polizei das Filmen auf Demonstrationen zu Zwecken der Einsatzlenkung per Gesetz zu erlauben.« Das klingt schwer nach Trotzreaktion, und zielt auf einen Bereich dem der Beschwerdeführer überhaupt nicht widersprach. Niemand hat und will der Polizei verbieten, Unsummen für Kerosin zur Überwachung von Großdemonstrationen auszugeben. Allein die, im Bild der dpa im Ehrhart Körting zitierenden Artikel „Beweissicherung“ dort wo überhaupt keine Straftaten verübt werden ist es, das jeden guten Demokraten aufregen sollte. Wenn ein Polizeihubschrauber seinen ihm eigenen Lärm über einer Menge Demonstranten dazu nutzt ihnen die Kommunikation zu erschweren ist das lästiges Übel, aber eben nur eine vergängliche Repression. Wenn aber eigens dafür abgestellte Einheiten, sogenannte BeSi (Kurzform von Beweissicherung), pauschal Menschenmenge im Allgemeinen oder im speziell einzelnen Demonstranten direkt ins Gesicht filmt, dann hält das Menschen von ihren demokratischen Grundrechten ab, und das ist wohl auch das Ziel. Das illegale Abfilmen von Menschenmengen ist einer der Gründe, derentwegen in Deutschland immer weniger Menschen ihre Demonstrationsfreiheit wahrnimmt: Der Großteil der Menschen wird einfach ungern gefilmt, ob ungefragt, Verdacht-unabhängig oder auch stationär an öffentlichen Plätzen. Und nicht nur das die Nachteile überwiegen, Vorteile der Straftat-unabhängigen Aufzeichnung konnte bislang auch noch niemand nennen. Nicht einmal Körting, der dem Bürokratiemonster nun das unwidersprochene Privileg von Hubschrauberrundflügen zum Opfer bringen will. Vielleicht ist Innensenator Körting auch einfach ein begeisterer Hobbyfotograf und darf als Dienstherr mitfliegen, von da oben gäbe es sicher ein paar schöne Bilder, auch ohne das man darauf Gesichter erkennen muss.
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