Die Sozialdemokratie ist wieder da! vs. Wir sind wieder da!
»Wer noch an Umfragen geglaubt hat, durfte am 30. August einen Kurs in politischer Realität absolvieren.« Markige Einleitung, mit denen Genossen heute von Peer Steinbrück in einer Nachricht begrüsst werden. Weiter diagnostiziert Steinbrück zwei Ministerpräsidenten seien »krachend abgewählt» worden, »Schwarz-gelb hat (…) keine Mehrheit« und bei »Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen hat die CDU zum zweiten Mal nach 2004 wichtige Städte an uns und unsere Bürgermeisterkandidaten verloren, andere haben wir souverän behauptet und unseren Vorsprung weiter ausgebaut« Peer Steinbrück, stellvertretender Vorsitzender unserer sturmerprobten Partei, resümiert an die Demoskopen gerichtet »Das Runterschreiben und Runterdemoskopieren der SPD hat nichts genutzt.«, dem politischen Gegner wirft er Hochnäsigkeit vor: »Die Arroganz der Union, die sich schon über die Verteilung von Posten beglückte, hat sich bitter gerächt.« Dann schwelgt er in Erinnerungen den letzten Schröder-Wahlkampf »Aber vom ersten Tag an hat sich wie 2005 sehr eindrucksvoll gezeigt: Stimmungsmache ist etwas völlig anderes als die Stimmungslage. Seit den ersten Veranstaltungen steigt mein Adrenalinpegel. Der Zulauf ist groß, der Zuspruch enorm. Stellenweise – wie zum Beispiel in Dresden vor vier Wochen, als es statt 150 dann 600 waren – sind unsere Genossinnen und Genossen vor Ort selber vom Andrang überrascht. Und das soll die SPD sein, von denen die Menschen angeblich nichts erwarten, eine Partei, die sich aufgegeben hat?« »Lächerlich!« beantwortete er seine Frage polternd selbst.
Im Anschluss kommt er zu seinem Kompetenzfeld, spricht an was Millionen beschäftigt: »Wer zahlt die Zeche für die Krise, wir alle oder die, die uns aus purer Gier fast in den Abgrund gespült hätten? Darf es wirklich so weitergehen wie vorher oder brauchen wir nicht neue Regeln für die Finanzmärkte, brauchen wir nicht ein großes gesellschaftlichen Bündnis gegen ein „Weiter so“?« Hiermit betritt Steinbrück allerdings dünnes Eis, denn kurz vor der Bundestagswahl findet ein G20-Gipfel statt, bei dem genau dies Thema sein wird, und bei dem Regierungschefin Merkel vor Ort ist. Bislang macht alles den Eindruck, sie kopiere internationale Konzepte ihrer Kollegen, beispielsweise aus Frankreich. Die Presse feiert sie hierfür zum Teil unreflektiert, manche erkennen und benennen den Urheber und manche sprechen schon jetzt aus, was Steinbrück hier als »gesellschaftliches Bündnis« benennt, und nur auf Nationalstaatebene funktioneren kann, weil kaum einer Europa bisher in sein Herz geschlossen hat. Nationalstaatliche Lösungen aber können die Finanzkrise allein nicht bewältigen, international Konzepte hingegen sind all die Köpfe der Industrienationen – einschliesslich Mutti Merkel – nicht bereit in Betracht zu ziehen.
Wenn wir, wie Steinbrück Rau zitiert, den »Mundfunk lauter drehen« sollen, sollte er Angela Merkel am kommenden Wahlwochenende auch den Spiegel vorhalten, deren »Weiter so!« ist noch lange nicht so publik, wie es sein muss. Merkels Konzept lautet, die Krise zahlen wir alle, und merkwürdigerweise rufen alle Leute »Yeah!«
Ausserdem fand ich mehr als merkwürdig, das ausgerechnet Peer Steinbrück, einer der heftigsten Ypsilanti-Kritiker sich eines ihrer, nein ihr bekanntestes Zitat zu eigen macht, denn zwischen »Die Sozialdemokratie ist wieder da!« vom Wahlabend des 27. Januar 2008 – an dem die moralische Siegerin dank des beherzten Eingriffs von Wolfgang Clement seinerzeit mit wenigen tausend Stimmen nicht stärkste Kraft wurde, und seinem Betreff »Wir sind wieder da!« liegen keine Welten, höchstens die zwischenzeitlich zusammengebrochene Finanzwelt.
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