Frei.Wild™

Künstlerische Freiheit ist: Deutungshoheit über die eigene mit der Kunst abzugeben. Der Künstler selbst behält allein die Definitionsmacht seiner Selbst. Beides zum kommerziellen Zwecke einzusetzen gelingt Frei.Wild™ derzeit prächtig. Der Band wurde die Nominierung zum Echo entzogen, die Fans sind entsetzt. Eine schreibt darüber, und wird sogleich als Positivbeispiel für „Die Macht der Medien“ (Eigenmarke der Band) aufgegriffen, was wohl auf Dritte animierend wirken soll. Ich habe aus dem Krankenbett mal meiner Meinung Ausdruck gegeben, nachdem ich mir die bei den Hörern bevorzugten Texte durchgelesen hatte:

„Ein kleines Frei.Wild™ steckt doch in jedem.“ Allein in der Einleitung schon ein Widerspruch: 99% der Menschen geht die Band am Arsch vorbei, das verbliebene streitet darüber. Das im Namen wiedergegebene Selbstbild, „schutzlos ausgeliefert“ zu sein, sich gleichwohl feiern zu lassen das steckt der Widerspruch. Gewollt, motiviert er doch zu dem Reflex, der in diesem Artikel zur Schau gestellt wird: Du wurdest vereinnahmt, kämpfst das Gefecht von Frei.Wild™, Glückwunsch, du gehörst wie ich zu dem 1%.

„Eine Erklärung „WARUM“ sie immer erfolgreicher werden ist schwer zu finden.“ Finde ich ich nicht, finde diese Phrase von einem Fan auch etwas heuchlerisch. Wiederhole nochmal: Vereinnahmung durch und in Folge dessen Artikel wie diese über eine Band sind Sinn-stiftend für die Fanbase, machen aus denen auf scheinbar ein großes Ganzes mit denen vor der Bühne. Diese Vereinnahmung gegenüber einer übergeordneten Instanz ein gemeinsamer „Feind“ („Gutmenschen“, „Staat“, „Medien“, …), ist ein beliebtes Muster in der Politik, ich empfehle Die Welle oder mal wieder in Geschichte aufzupassen.

Leider sind die Provokation als Marketing-Gag auf der einen und das Verlangen sich ideologisch zu artikulieren auf der anderen Seite nicht zu unterscheiden, weil wir nur das Bekenntnis eines Bandmitglied haben, er dem Rechten nicht mehr zugetan und das der Band von der Bühne runter Rechten der Weg zu Tür gewiesen wird. Ob er oder sie das aber wirklich denken, oder das gefestigte Gedankengut teilen ist einerlei: Die Gedanken sind frei, und nur die, niemand kann sie erraten. Zunächst sei ihm und ihnen zu glauben.

Doch es stellt sich die Frage: Warum dann Deutschrock, warum dann so klar ideologisch formuliert? Deutschrock muss, bei allem „Stolz“ und aller zugestandenen „Vaterlandsliebe“, nicht politisch sein. Frei.Wild™ ist es aber, selbst gewählt. Provoziert damit, zum eigenen Nutzen, und produziert sich als Opfer, das in Wahrheit keines ist. Frei.Wild™ genießen die selbe künstlerische Freiheit wie der schwarzbraune Heino und Deutschraper: Sie werden nicht gezwungen, Texte über Themen zu produzieren, über deren Inhalt man streiten muss, um sich dann zu beschweren das darüber gestritten wird. Frei.Wild™ müssen sich aber vorhalten lassen, das sie vor „AIDS as Asien“ warnen und Andersdenkenden als „Vollidioten“ hinstellen, die „Opfer einer Resozialisierungspolitik“ sind, um nur zwei Fundstellen zu zitieren, die eingerahmt sind von allerlei System- und Gesellschaftskritik, die eben in solchen klar rassistischen Tiefpunkten und revisionistische Gedankengänge anregenden Zeilen ihren grotesken Höhepunkt finden.

Warum distanziert man sich von Hitler und Mussolini, Marx und Engels, wenn man sich zugleich als „Opfer einer Resozialisierungspolitik“ produziert, mit der ja nur eines beabsichtigt sein kann: Geschichtsrevisionismus.

Es ist nicht fair, einzelne Worte, -gruppen oder Sätze aus dem Zusammenhang zu reißen, unfair ist es aber das anderen vorzuwerfen, wenn der Fülltext drumrum eben nur der ist, der um die Kernthese herum arrangiert ist. Und die Kernthesen der meisten Texte sind eben, da sollten sich alle mal die selbe Mühe machen, recht unzweideutig.

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