Island vs. Griechenland

Eine isländische Frage

In der Pressekonferenz mit der Ministerpräsidentin Islands, Frau Jóhanna Sigurðardóttir, geht es eigentlich um „Eine isländische Frage“, und trotzdem kommt die Kanzlerin nur auf ein Thema zu sprechen: &raqou;Ich glaube die war für mich.« Gefragt wurde: »Ist Italien das nächste Land das unter den Rettungsschirm muss?« Und so ist die Pressekonferenz thematisch schnellstmöglich vom Arktis-Rat zur Euro-Gruppe gewandert. Dabei ist das was die Kameras da erfassen aus vielerlei Hinsicht eine viel interessantere Kulisse als der darbende Euro und seine vermeintliche Retterin Angela Merkel: Mit Ausnahme Deutschlands und Islands regiert nur noch in der Slowakei eine Frau, in manchen Ländern dürfen Frauen das bei uns vakante repräsentative Amt des Staatsoberhaupts einnehmen. Das war ein seltener Anblick: zwei Regierungschefinnen auf einem Bild. In Belgien regieren Yves und Albert II., Bulgarien Georgi und Bojko, Dänemark Margrete II. und Lars, Deutschland Angela und Christian, Estland Toomas und Andrus, Finnland Tarja und Jyrki, Frankreich Nicola und Françoism, Griechenland Karolos und Giorgos, Mary und Enda, Italien wird verwaltet von Giorgio und Silvio, Lettland Andris und Valdis, Litauen Dalia und Andrius, Luxemburg Henri und Jean-Claude, Malta George und Lawrence, Niederlande Beatrix und Mark, Österreich Heinz und Werner, Polen Bronislaw und Donald, Portugal Aníbal und Pedro, Rumänien Traian und Emil, Schweden Gustaf und Fredrik, Slowakei und Iveta, Slowenien Danilo und Borut, Spanien Juan und José Luis Rodríguez, Tschechien Václav und Petr, Ungarn Pál und Viktor, im Vereinigten Königreich die wohl bekannteste Elisabeth II. und auf Zypern finden sich in Dimitris Staatsoberhaupt und Regierungschef in einer Person.

Noch viel interessanter als vorgeführte Gleichstellung in Form der beiden vor den Pressesprechern wäre auch die Frage gewesen, inwiefern Deutschland und Euro-Land von Island lernen könne. Denn da gäbe es durchaus viel. Mal von ein paar waghalsigen, raffgierigen Privatinvestoren, die sich von BILT in Sachen Anlagen beraten ließen gibt es hierzulande nämlich viel mehr Verlierer als in Island, einem der am schlimmsten von der Finanzwirtschaftskrise getroffenen Land. Hierzulande sind deren Auswirkungen noch längst nicht ausgestanden, aber Island befindet sich längst auf dem Wege der finanziellen und wirtschaftlichen Gesundung. Auch weil eine Konsequenz aus dem Handeln Einzelner die Bestrafung derer und nicht etwa die Vergesellschaftung deren Verluste war. Die Konsequenzen aus der Finanzmarktkrise hier bei uns? Keine, jedenfalls nicht für die Verursacher und ihre Handlanger.

Nachdem das schwerste Wirtschaftsverbrechen aller Zeiten verübt wurde, herrschte in (Finanz-)Wirtschaft, Politik und veröffentlichter Meinung schnell Einigkeit über die Verursacher: Alle Beteiligten trugen Mitschuld, alle Mechanismen zum Selbsterhalt unterlagen ihrer Gier. Versagt aber haben nicht allein Menchanismen. Vielmehr gab es auch einige pauschal zum Sündenbock abqualifizierte Personengruppen, Firmen und Organisationen, denen man den Schwarzen Peter zuzuschieben gedachte, damit „der Pöbel“ Ruhe gab und nicht etwa an eine Revolution dachte.

Zu diesen „Mittätern“ zählt man gemeinhin

Mir ist kein Politiker bekannt, der im Nachhinein zugibt, das die von ihm verabschiedeten Gesetze Mitschuld an der Misere trügen. Nur wenige Spekulanten haben aus ihren Taten Konsequenzen gezogen, manche tödliche. Die meisten Anleger sind ihre virtuellen Gewinne wieder los, und versuchen auf juristischem Wege an Rettungsmittel der Steuerzahler zu kommen oder geben sich mit den Lehren aus der Krise zufrieden. Die vielen Privatanlegern darunter sind wohl die größten Verlierer der Krise, denn sie zahlen nicht nur mit ihrem Ersparten, sondern auch als Steuerzahler.

Und was machen Mainstream-Medien und Rating-Agenturen, welche Konsequenzen ziehen Sie aus der Katastrophe? Keine.

Krassestes Beispiel dessen war vor einiger Zeit Zeit Online. Der Onlineableger des Nachrichtenmagazins suggeriert ob der Entscheidung des isländischen Präsidenten, internationale Investoren zu entschädigen, hier Bestünde Grund zur Hoffnung, denn: Anstatt eines einfachen Berichts, wie man ihn von einem von der Verfassung geschützten Presseorgan erwarten würde, ergreift das Blättchen mit dem berühmten sozialdemokratischen Verleger Initiative für die britischen Sparer, und zwar schlicht indem anstatt eines ehrlichen Berichtes nur ein Satz mit dem eigentlich Nachrichtenwert abgesondert wird: »Islands Präsident hat ein Gesetz für die Entschädigung ausländischer Sparer verhindert.« Im Anschluss folgt über den Rest des Teaser und zwei weitere Absätze hinweg erst Spekulation über die möglichen Auswirkungen der Entscheidung für die Regierung und den Präsidenten, darauf folgt sogleich eine Stellungnahme der grundsätzlich ebenso wie Mainstream-Medien schuldfreien Rating-Agenturen. Da ist die Rede von „schweren Konflikten“ mit den Nachbarn und der Finanzwelt, auf die Island zusteuere, gemeint ist Groß-Britannien. Der Bruch der Regierung scheint für das Blatt ebenso ausgemacht wie versiegende Kredite für das Land, denn die zunächst, noch vor der Nachricht ausführlich zu Wort kommende Rating-Agentur stufte Bewertung und damit die Kreditwürdigkeit Islands umgehend ab. Vermutlich werden andere Rating-Agenturen folgen, und ganz sicher ist die Empörung auf den morgigen „Tabloids“ im Vereinigten Königreich nur der Beginn einer ganzen Kampagne gegen den Inselstaat, dessen EU-Beitritt von der britischen Regierung zugleich in Frage gestellt und mit einem Veto diesbezüglich gedroht wird. Andere Tageszeitungen hatten da einen qualitativeren Journalismus zu bieten, Neues Deutschland beispielsweise meinte Islands Wähler sollten entscheiden. Wie in Griechenland. In Griechenland gab es direkt auf die selbe Ankündigung einen Putsch, „regime change“ oder wie auch immer man die neue, höchst demokratisch legitimierte Regierung als Handlager auch nennen mag. Für solche Forderungen erntet Neues Deutschland natürlich auch einen gewissen Ruf.

Das nennt sich übrigens Interessenpolitik und man kann so weit gehen von gleichgeschalteten Journalismus zu sprechen.

Im Rahmen der Finanzmarktkrise fanden sich nur wenige Schuldige, die verschiedenen Interessengruppen dazu kürten, und dazu gehörten beispielsweise sogenannte Rating-Agenturen. Die selben Agenturen die Griechenland zunehmend verheerend wirkende Urteile ausstellen, weil Griechenland spurt. Und die selben, die Island nun Zeugnis ausstellen, das Land befinde sich auf dem Weg der Erholung. In der Folge konnte sich Island beispielsweise kürzlich wieder zinsgünstiger Finanzierung erfreuen. Und den selben Fehler wie vor Jahren wird man dort nicht mehr eingehen. Griechenland hingegen muss sich jeden Tag erneut davon überzeugen, das Angela Merkel ihm nicht das Rückgrat bricht. Das hat Griechenland schon einen Regierungschef gekostet, weswegen über Nacht ein Neuer installiert wurde. Anderswo von Anderen ausgeübt würde man dazu Regime Change sagen. Merkel hingegen traut man das nicht zu. Sie ist so eine liebe Person.

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