Bundestrojaner Republik Deutschland
In der Bundestrojaner Republik Deutschland horchen Konservative1 mit einer von echten Experten #0zapftis getauften Schnüffelsoftware ab. Man mag es für einen schlechten Scherz halten, oder für eine getürkte Nachricht, bei all der Kritik an der totalitären DDR, insbesondere seitens der Konservativen, und also muss man es sich nochmal vor das innere Auge führen, was unsere innere Sicherheit beflügeln soll: In der Bundestrojaner Republik Deutschland hören Polizeien, Zollbehörden und Geheimdienste mittels vom Bundesverfassungsgericht als dem Grundgesetz zuwiderlaufend eingestufte Methoden mit. Man muss sich das mehrmals auf der Zunge zergehen lassen, darf sich ruhig einmal wiederholen: In der Bundestrojaner Republik Deutschland filtern und infiltrieren wieder einmal Staatsorgane nicht nur unser öffentliches Leben, und doch viel schwerwiegender: sie tun das selbe in unserer Privatsphäre. Wen interessiert es? Derzeit wüten alle über einen mutmaßlich korrupten Bundespräsidenten, wenn sie nicht ohnehin vom politischen Betrieb abgewandt mit Weihnachtsfeiern und -geschenken beschäftigt sind.
Staatstrojaner: Staatsaffäre, Sündenfall oder nur neuer use case moderner staatlicher IT?
Hat es wirklich Wert, darüber zu streiten ob es statt eines Bundes- ein Landestrojaner, ein Staatstrojaner oder nicht doch schlicht und einfach der vom Bundesverfassungsgericht zum Sündenfall erklärte Trojaner ist, mit dem alles Mögliche möglich wird?
Bisher haben Bundesbehörden sich bekannt und andere sich in die Ermittlungen eingeschaltet, Landesbehörden und untergeordnete Landespolizeibehörden wurden überführt oder sind geständig, die Software gegen uns eingesetzt zu haben.
Sie glauben diese Software für bis zu einer halben Million pro Lizenz einzukaufen, mit dem Hintergedanken sie »sei so lang einzusetzen wie eine Schreibmaschine«. »Der Chaos Computer Club ist staatstragender und grundrechtsschützender als die Staatspartei CSU mit ihrem Staatstrojaner«, so SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Wenige Tage später verteidigt er die Vorratsdatenspeicherung auf dem SPD Parteitag. So etwas widersprüchliches macht Politik unglaubwürdig.
Neue Methoden in alten Schläuchen
Ein Blogger hat sich die Mühe gemacht, die Professionelle von der schreibenden Zunft bisher vermissen ließen, und hataufgerechnet welche Kosten dem Steuerzahler bislang für den Staatstrojaner enstanden sind. Und das sind ja nur die vorläufigen, bisherigen, öffentlich zugänglichen, öffentlich vergebenen – wie viele Arbeitsstunden allein die Bundes- und Landesämter für Verfassungsschutz, Polizei und Zoll für die Erfassung und Aufbereitung der so gesammelten Informationen auf den Kopf gehauen haben will ich mir gar nicht ausmalen. Anbetrachts der Tatsache, das sich der Trojaner wachsender Beliebtheit erfreute, wäre da noch mehr drin gewesen in der Zukunft. Die Welt war zu Gast bei Freunden, jetzt lacht die Welt über die digitalen Gehversuche unserer Freunde und Helfer. Im Norden lachen sie über unsere naive nationalen Netzwerksicherheit besonders laut. Und das zu recht. Sicherheit ist keine, wenn sie Freiheit beschränkt. Das gilt für den Hackerparagraphen wie für 200ml Flüssigkeit pro Person in der Bordkabine.
Und an deutscher Gründlichkeit durfte es bei allem natürlich nicht fehlen: Das Amtsblatt beweist den Kauf des Bundestrojaner wie Ausschreibungen bspw. für den Landestrojaner Hessen. Das macht mich Staatsbürger zum professionellen Hervorwürger – von „Euch“ liebevoll als „Wutbürger“ verunglimpft. Dankeschön!
Nebelkerzen an Nebenkriegsschauplätzen
Nebenbei wird, nachdem man einen – als der Wahlkampf der Jungen Union vorbei war völlig untergegangen – unpolitischen als nächtlichen Brandstifter in Berlins Straßen verhaftet hat, urplötzlich im Berliner Hauptbahnhof eine neue Nebelgranate gefunden, die sogleich wieder „den Linken“ zugeschrieben wurden. Bei alldem bleibt ungeachtet, das noch Otto „härtester Bundesinnenminister ever“ Schily ein Überwachungsnetz in unser aller Bahnhöfe auswarf, sodass dort niemand mehr in der Nase popeln kann, ohne nicht von „Big Brother“ dabei beobachtet zu werden, zugleich aber „Linksextremisten“ mehrere Bomben unentdeckt an einem der am besten überwachten Orte der Republik platzieren können sollen. Ja geht es noch!? Wer soll euch denn diese Scheiße abkaufen? Nun ja, einer findet sich da immer: Der Qualitätsjournalismus hat vor Wochen keine einzige Frage in die Richtung abgelassen. Und auch als eine anarchistische Linke aus Italien Josef Ackermann angeblich eine Briefbombe zukommen ließ, fehlte es zwar an „Qualitätsjournalismus“, denn der war mit der anarchistischen Gruppe voll umfänglich mit Ködern versorgt. Es waren freie Recherchen, die dem augenscheinlichem Widerspruch, eine anarchistische italienische Gruppe habe ein Interesse den Chef der Deutschen Bank zu bedrohen, und die selben Rechercheure lieferten den viel stichhaltigeren Hinweis das es sich um im Namen identische aber ansonsten in der Szene unbekannte Trittbrettfahrer handele.
Wohltuend hervorgetan hat sich dieses und viele andere Male die FAZ. Dort scheint man nach der Manipulation der Öffentlichkeit unter dem Titel „Die phantastischen Vier“ und dem darauf folgenden gleichnamigen Enthüllungsbuch zur Besinnung gekommen. Sogar dem Netz affin gibt man sich, indem man die schon legendäre 0zapftis Analyse des CCC kostenlos als PDF bereit stellte. Hut ab.
Nichts als der Tweet von Henning Rucks beschreibt dagegen besser das Selbstverständnis der zurecht als Stasi 2.0 deklassierten „Innenexperten“ aller Lager: »“Nichts zu verbergen.“ „Wissen wir.“«
Dem CCC war seine Verantwortung schon bewusst, und so unterrichteten die das Bundesinnenministerium vor Veröffentlichung über ihre Erkenntnisse. Der bestritt. Ganz zufällig hieß es aber auch, als der Skandal eskalierte: Friedrich? Abgereist!. Pünktlich zur ersten echten Bewährungsprobe für den Minister setzt der sich ins befreundete Ausland ab, vermutlich auch ein paar Deals zur Überwachung in der Tasche, wie wir heute aus der Berichterstattung über den Export von „Sicherheitsoftware“ in repressive Staaten wissen.
„Können wir mal einen Blick in ihre Tasche werfen?“ muss es gar nicht mehr heißen. Deutsche Sicherheitsbehörden können sich auch einfach an das Zielobjekt heranpirschen, abwarten und irgendwann unverbindlich fragen, ob man denn mal den (USB-)MP3-Player aufladen dürfe2
Und die Moral von der Geschicht‘: Nichts.
Konsequenzen aus dem der ganzen Debatte gab es kaum welche. Wie beim Rechtsextremismus werden neue Kompetenzzentren eröffnet, deren einziges Ziel es natürlich sein muss, später den verantwortlichen Politikern die Verantwortung abzunehmen und als Bauernopfer zu dienen. Nebenbei wird mittels BKA Bullshit Bombing erklärt, das BKA fahnde bei Landesbehörden nach Staatstrojaner. Ja, sagt mal, glaubt ihr wirklich wir sind sooo dooooof? Werter Herr Zierke, Herr Friedrich, Hinz & Kunz, Arsch und Eimer, ihr konservativen Arschlöcher und Schleimer, glaubt ihr wirklich wir sind so dermaßen auf den Kopf gefallen!?
All die Nebenkriegsschauplätze die seither aufgemacht und angeheizt wurden, um vom Staatstrojaner, vom Rechtsterror, vom Waffenexportweltmeister Deutschland und dem deutschen Engagement bei der Stabilisierung von Dikatoren und sonstigem Despotengesocks abzulenken: Letztlich lenken sie nicht ab, schließlich interessiert uns Wulffs Bestechlichkeit ebenso wenig wie es BILT tangiert von wem der Niedersache sich so „inspirieren“ lies. BILT interessiert ich nur als Kombatant der Konservativen, und zeigt indem sie sich dem Thema annehmen und so auch von ihren eigenen Fehlern ablenken: „Qualitätsjournalismus“ ist ebenso am Ende wie es indirekte Demokratie ist. Weil jene Mandatsträger qua Verfassung sich von ihren Mandatsgebern, den Zeitungskäufern/Zuschauern und Wählern, abgewandt haben. Weil sie sich als Mittelsmänner den Nutzernießer der freien Wirtschaft hingegeben haben – Anzeigenkunden, Shareholdern und Lobbyisten.
- Konservative aus CDU (wer sonst?), CSU (sooowieso) sowie SPD (in jüngster Zeit sich wohl selbst als Gegenpol begreifend und im Vorfeld der Bundestagswahlen den neuen Schwerpunkt Innere Sicherheit als Kernkompetenz herausstellend) [↩]
- Dieser praktische Anwendungsfall hat meine Paranoia in der Folge dahin anschwellen lassen, mir mal den Ladezustand eines entsprechend Fragenden ganz nebenbei zu prüfen. Sagen wir mal: Angesichts dessen er sein Reiseziel erreicht hatte, war der Player ordentlich aufgeladen. Dilettantismus allerorten. [↩]