Schattenschauspiel Darmstadt

»Fassungslos und verärgert« »Parlamentsbeschlüssen muss Geltung verschafft werden. Auch gegenüber der HSE.« »Offensichtlich hält Beteiligungsdezernent Hoffmann das gewählte Parlament für ein Possentheater, dessen Beschlüsse man nach Belieben umsetzen oder ignorieren kann.« wird der FDP-Chef Leif Blum im morgigen Darmstädter Echo zitiert.

Das laute Trommeln des Vorsitzender der Darmstädter FDP entlarvt sich selbst: Indem es »Possentheater« kritisiert, inszeniert es dessen nächsten Akt selbst.

Ausgerechnet die nunmehr nur noch wirtschaftsliberale FDP Darmstadt im Allgemeinen mit ihrem Vorzeigevorsitzenden und Volljurist Leif Blum im Speziellen weiß einerseits bestens um die Implikationen, die eine derartige Rückabwicklung im internationalen Handel mit sich bringt, und um den Aufwand den das Parlament durch diesen Beschluss herbeigeführt hat. Dies unterstellt ist eine wider besseren Wissen eingebrachte Pressemitteilung nur heiße Luft in der kalten Jahreszeit, verwandter noch dem Showcatchen ohne Gegner denn dem Schattenboxen. Denn eines ist sicher, wenigstens das: Da Leif Blum nur Spitzenkandidat einer Klientelpartei ist, und nicht etwa für das Amt des „Beteiligungsdezernenten“ kandidiert, ihn jedoch kritisiert, sekundiert Blum damit seinem möglichen Koalitionspartner CDU und dessen Spitzenkandidat Rafael Reißer.

Ihm geht es so wenig darum den an der Schnittstelle zur Stadtwirtschaft stehenden Oberbürgermeister Walter Hoffmann in der Sache anzugreifen, wie der CDU es um die Schlaglöcher geht, wenn sie die Bürgerinnen und Bürger zur eigenen Schlagloch-Meldestelle am Weißen Turm bestellt:

Man will es selbst machen, nicht besser.

Noch schlimmer: Da Leif Blum als Fraktionsvorsitzender der FDP den Koalitionsvertrag für die laufende Legislaturperiode mit unterzeichnet hat, er demnach der amtierenden Regierung zugerechnet werden muss, er noch zudem als Fraktions- oder Parteivorsitzender jenen Koalitionsvertrag als einer von sechs Spitzenkräften der drei beteiligten Parteien1 maßgeblich gestaltet und an seiner späteren Umsetzung mitgewirkt hat, darf nicht unerwähnt bleiben das Herr Blum und seine FDP die jetzige Stadtwirtschaft in ihrer Form selbst (mit-)installiert haben und insofern mindestens ebenso viel zur Gemengelage beigetragen haben wie alle anderen Beteiligten auch.

Der durch den Haupt- und Finanzausschuss vorbereitete, durch den Parlamentsbeschluss herbeigeführte Ist-Zustand gleicht eher Possentheater, das Blum nun vor dem inneren Auge sieht. Und so vollführt er im heraufziehenden Wahlkampf den Spagat zwischen Opposition gegen den (von der FDP mit besetzten) Magistrat einerseits, und der eigenen, jüngeren lokal-politischen Vergangenheit in der Ampelkoalition andererseits. Da steht jemand bis zum Hals im eigenen Mist, und wirft damit um sich, ohne selbst schmutzig werden zu wollen.

Den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Stadtwirtschaft wird nicht Rechnung getragen, indem das Parlament tagesaktuell in das operative Geschäft eingreift. Das sind die feuchte Träume aus denen die wenigen verbliebenen Liberalen scheinbar nicht mehr aufzuwachen gedenken. Vielmehr gibt Stadt und also das Stadtparlament die grobe Marschrichtung vor, und innerhalb dieser mehr oder weniger eng umrissenen Handlungsspielräume darf Holding – nebst Tochterunternehmen – aggieren. Das dazu gegebenenfalls auch Berichte, im schlimmsten Fall in geheimer Sitzung gehören, von denen dann aber entsandten Ausschussmitglieder aller im Parlament vertretenen Parteien Kenntnis haben, ihnen stillschweigend oder durch Votum zustimmen oder dies ablehnen, davon liest man hingegen nichts.

Wenn denn dann jemand zur Verantwortung gezogen werden muss, dann ist das doch der Mittelsmann, der noch zudem allein zu dem Zweck überhaupt geschaffen wurde, und davon habe ich in der gesamten Berichterstattung noch nichts vernommen. Offensichtlich wurde seitens der Holding, über die die Stadt mittelbar an der hse AG beteiligt ist, versäumt im Vorfeld der Entscheidung wie auch in deren Nachgang in geeigneter Weise zu informieren. Das sich manch einer derart überrascht zeigt, kann doch nur darauf hindeuten, das bis zur eigentlichen Entscheidung kein Sterbenswörtchen verlautbart wurde, und deckungsgleich berichtet ja auch die Lokalpresse.

Das wäre fatal, schließlich ist die einzige Aufgabe der Holding eben die Verwaltung der Beteiligungen2 der Stadt Darmstadt, nicht viel mehr aber auch nicht weniger. Wenn dann eine Tochter mit erheblichen Summen hausieren geht, und man als Anteilseigner nur zu sagen hat, das man nichts zu sagen hat – und das auch noch hochoffiziell, dann läuft etwas falsch. Denn so wäre über das Verteilen von Geschenken, Posten und einem Vierfarbdruck des Geschäftsberichtes nicht viel zu tun bei der Holding. Dann würde ich für die Anschaffung von Dummies plädieren, und Vorstand und Verwaltung für den Rest der Zeit in soziale Projekte schicken.

Die Dummies würden auf alle Fälle eine bessere Figur machen.

Die Textbausteine und Standardfloskeln von allumfassender Privatisierung, weniger Staat und mehr Netto vom Brutto harmonieren genau so wenig mit der unternehmerischen Realität dem Staat eigener Unternehmen (in juristischer Person in dem Fall die Kommune Darmstadt – um Missverständnissen und Umdeutungen zuvor zukommen), wie die hieraus entstehenden Pressemitteilungen und der darin zur Schau gestellten Auffassung der Klientelpartei auf kommunaler Ebene. Mit Verlaub: Die sind bei der Kommunalwahl un-wähl-bar™, und jede Einzelne 1/71 Stimme verschenkte Liebesmüh.

Leif Blum hat mal wieder getrommelt. Kaum jemand interessierts, mit Ausnahme der pflichtbewussten Lokalpresse. Wer den Artikel liest, braucht das nicht einmal zwischen den Zeilen: Wahlkrampf und Wadenbeißerei, wohl platziert zwischen den Jahren, wissend das da kaum jemand reagiert, mit Ausnahme der Betroffenen. Unter dem Artikel lassen nämlich offenkundig Mitarbeiter ihrem Unmut über derlei Taktiererei Luft. Zu Recht.

Für dieses Schattenschauspiel würde ich mein Geld zurückverlangen. Doch Kommunalpolitik ist Ehrenamt. Und so geht es da offensichtlich auch zu, um die Ehre, Auge um Auge, Zahn um Zahn.

  1. Spitzengespräche unter zwölf Augen jeweils der Partei- und Fraktionsvorsitzenden waren der selben Zeitung zur Folge de facto der Darmstädter Koalitionsausschuss []
  2. neudeutsch: Beteiligungsmanagement []
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