Darmstädter FDP keilt weiter gegen „Schmarotzer“

Der Darmstädter FDP ist offenbar der Streisand-Effekt kein Begriff, andernfalls hätte sich vielleicht souveräner verhalten. Jetzt sieht alles danach aus, als hätte „der Fall“ Potential die verebbte Diskussion um „römische Verhältnisse“ wieder zu beleben. Was ist passiert?

Auf dem Peak der Diskussion um „Sozialschmarotzer“, den Begriff der sich verklausuliert hinter „spätrömischer Dekadenz“ verschanzt, fand in Darmstadt eine ungewöhnliche Aktion statt. Als Römer verkleidete Vertreter einer hiesigen Arbeitsloseninitiative „verschafften sich Zugang“ zur Geschäftsstelle der Darmstädter FDP, um mit ihren selbst mitgebrachten, üppigem Buffet eine Protestorgie zu feiern und Guido Westerwelle zu huldigen.

Mit zwei dankbaren Fernsehteams im Tross „drang man in die Räumlichkeiten ein“, drapierte mitgebrachte Speisen, Champagner, sich selbst und Transparente, beispielsweise mit der Aufschrift »Salve, Guido!« Der sichtlich in seiner Funktion überforderter Geschäftsführer warf das Gesindel, das sich wohl in der Epoche vertan haben mochte zugleich heraus, erbat sich dann aber im selben Atemzug noch auf die soeben gerufene Polizei zu warten.

In der Zwischenzeit haben es sich die Vertreter von GALIDA wohl zu gut gehen gelassen: Unter dem Eindruck sich gegenseitig Trauben zuführenden, Blubberwasser anreichenden „Eindringlingen“ gärte Empörung über die Bestätigung derer, die man sonst nur über die Massenmedien verunglimpfte. Nun standen sie FDP-Landtagsabgeordnetem, -fraktionsgeschäftsführer und Stadtverordnetenfraktionsführer Leif Blum Auge in Auge, wenn er auch nur in Form eines Transparentes vor die Kamera wollte. Normalerweise hat der leidenschaftliche Porsche-Fahrer kein Problem vor laufenden Kameras, in diesem Fall aber zog er es vielleicht vor den Zugang zur Tiefgarage vor dem Pöbel abzuschirmen.

In der indifferenten Situation, einerseits zum Verlassen der Räumlichkeiten, andererseits zum Abwarten auf die angerufene Polizei aufgefordert zu sein, hat sich dann bis auf ein paar Schnappschüsse und einseitige Unmutsbekundungen wohl nichts getan. Weder schien jemand übergriffig zu werden, noch entgleiste einer der beiden Kontrahenten verbal. Der normalsterbliche Darmstädter wartet oftmals lange Zeit bis wenigstens eine regulärer Streife anrückt, um mitzuteilen das man nichts mehr machen könne. In dem Fall rückten insgesamt vier voll besetzte Streifenwagen an, um in der Folge nicht mehr oder weniger zu vollziehen, als die Protestierenden ohnehin angeboten hatten, nämlich die Räumlichkeiten zu verlassen.

Wie das Leben so spielt, finden Massenmedien Gefallen1 an derlei kreativem Protest, der ähnlich gut ankommt wie Skandalgeschichten, beim Berichterstatter aber immerhin ein gutes Gefühl hinterlässt, als wenn er in Winnenden mit seinem Teleobjektiv auf seinem Kraftfahrzeug stehend in den Friedhof fotografiert.

Im Anschluss hätte es mit der einmaligen Berichterstattung über diese kreativen Protest auch ein Ende gefunden. Beharrlich wie sich FDP an an ihren Kritikern festbeißt, hat man aber seitens der Geschäftsstelle der Darmstädter FDP an zumindest einer Strafanzeige festgehalten, wenn schon nicht an den ursprünglich gegenüber der Polizei erhobenen dann doch wenigestens wegen Freiheitsberaubung. Und vor dem Hintergrund darf sich einer der Vertreter der Darmstädter Arbeitsloseninitiative, einem anerkannt gemeinnützigen Verein der sich zum Ziel gesetzt hat Arbeitslosen zu helfen, ausgerechnet am heutigen 1. April in den Räumlichkeiten der Polizei zur Aussage zu diesem Vorfall einfinden.

Das ich Begriffe und Formulierungen wie „Sozialschmarotzer“ und „spätrömischer Dekadenz“, „verschafften sich Zugang“ und „drang man in die Räumlichkeiten ein“ nur als sinngemäßes Zitat verwendet habe und um diesen beispiellosen Vorgang zu dokumentieren, muss ich hier hoffentlich nicht erwähnen. Ich finde es ein Unding, das sich die FDP anmaßt zugleich Steuergelder zu verprassen2 und mit dem Stinkefinger auf finanziell schwächere Gestellte zu zeigen, ihnen zugleich Initiativelosigkeit vorzuwerfen und wenn sie dann der Beleidigung überdrüssig sind eben auch Initiative in ihrem kreativen Protest Ausdruck verleihen.

Nicht jeder hat Millionenspender hinter sich, und allein die beiden in Darmstadt derzeit in Planung befindlichen Hotelneubauten lassen vermuten das auch die Darmstädter FDP zumindest mittelbar von den entsprechenden Parteispenden profitiert. Mit dem Geld und ihrer Zeit ließe sich aber wahrlich vernünftigeres anstellen, als permante Repression über Arbeitslose und Empfänger von Transferleistungen zu bringen. Wie wäre es mit einem neuen Porsche Chayene, zum Ausfahrn der Plakate im bevorstehenden Kommunalwahlkampf?

  1. Darmstädter Echo, Hessischer Rundfunk, Kölner Stadtanzeiger []
  2. Polizeieinsatz vor Ort, Verfolgung der Anzeige, Aufwand der staatlich unterstützten Geschäftsstelle []
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