Freund, Feind, Parteifreund, Vertrauen, Misstrauen, „vollstes Vertrauen“

Die Steigerung von Freund sei Feind und Parteifreund, sagt man sich. Die von Vertrauen sind Misstrauen und „vollstes Vertrauen“, ein sicheres Signal der Kanzlerin an Parteifreunde, schon mal ihren Schreibtisch zu räumen. War bei Guttenberg so, wird bei Schavan nicht anders sein. Doch zunächst ein kleiner Exkurs.

Nicht ganz 150 aber immerhin 100 Seiten braucht man, um Willy Brandt zu entdecken, in der die 150 Jahre SPD zelebrierenden Sonderausgabe des Vorwärts. Der Vorwärts macht mit seinem Kniefall das Kapitel Frieden auf. Helmut Schmidt musste nicht für Struktur und Arrangement herhalten, er wurde 90 Seiten vorher abgedruckt, die Füsse nicht auf dem Boden, sondern von der Bühne beim Juso-Kongress in Frankfurt 1968 springend abgelichtet. Und die Botschaft ist nicht, das der im nächsten Jahr als Verteidigungsminister vereidigte Schmidt die Füsse nicht mit beiden Füssen auf dem Boden stand, sondern es scheint die sportiv-unkonventionelle Art im Vordergrund zu stehen, mit der er sich sogar von den abgebildeten „jungen“ Genossen abhebt.

Im Rahmen des Wahlkampfes in Niedersachsen wurde ich auf einen Wortbeitrag eines Mitglied der Jungen Union aufmerksam, in einer Sendung beim NDR (zum Thema Politikverdrossenheit!) antwortete er auf die Frage »Benedikt: Zählen sie sich voll zur CDU?« wie folgt: »Nein, also was ja ganz wichtig ist, und das ist auch bei der Jungen Union so. Man kann in der Jungen Union sein, ohne in der CDU sein. Und genau so ist es: Man kann auch in der Union sein, unter 35, und äh äh nicht Mitglied der Jungen Union. Das sieht bei der SPD ein bißchen anders aus. Da ist man, wenn man 35 ist, auch gleichzeitig bei den Jusos Mitglied.« Mal abgesehen davon das ich das 35. vollendet habe und somit nicht mehr Juso-Mitglied bin, also die Altersgrenze eben nicht bei 35 liegt, konnte man in dem Bemühen des nicht mehr ganz so frischen Jungunionsten ablesen, das er sich von der Partei abzugrenzen versucht, in dessen Vorfeldorganisation er doch immerhin im Vorstand ist. Und da habe ich mich gefragt: Hängt das vielleicht zusamme?

Hängt mein Dafürhalten einer unverhältnismäßige Hervorhebung von Helmut Schmidt gegenüber dem historisch für Deutschland und die SPD viel wichtigeren Willy Brandt vielleicht nicht nur an der politischen Färbung: Schmidt ist in meinen Augen ein ultrakonservativer und Mensch gewordenen Mechanismus zur Selbstzerstörung der SPD seit den 1970 Jahren, als er den Konservativen die SPD von innen und außen schmackhaft machte, bis wir in der großen Koalition nicht einmal mehr bemerkt haben das die dritte Partei sich in unserem Fahrwasser gründet. Brandt, der die SPD aus dem Exil mit am Leben hielt, wieder mit aufbauten, sich um den Frieden mehr verdiente als der so genannte Verteidigungsminister, dessen Aufgabe es ja gewesen wäre. Willy wird zur Dekoration, Helmut bekommt eine Doppelseite.

Mir wurde schlagartig klar, das der Funktionär der Jungen Union sich mit seinem zwar primär gegen die Jusos aber ganz ausdrücklich auch gegen die eigene Partei gerichteten Statement nicht verrannt hatte, ebenso sondern so von seiner eigenen Partei überzeugt war wie davon sich ihr gegenüber abgrenzen zu müssen. Klingt ambivalent? Ist es auch, aber nur auf den ersten Blick. So wie man Sarrazin und Clement seinerzeit ihrer Verdienste wegen trotz offenkundig Partei schädigendem Verhalten nicht vor die Tür setzen wollte und stattdessen argumentierte, weder die allgemeine Geisteshaltung noch spezielle Äußerungen von Sarrazin und Clement seien „die SPD“ oder das sie sich diese gar zu eigen machen würde: Man separierte die schwarzen Schafe, die sich ohnehin am Ende ihrer sozialdemokratischen Parteikarriere sahen und wohl annahmen, sich damit die Hände schmutzig zu machen würde ihnen nicht schaden, im Gegenteil hat es sich für den ein oder anderen ja auch monetär gelohnt. Doch das Separieren der Herde funktioniert auch andersrum: Wer sich als Blaupause der Partei begreift kann, selbst dann wenn er zur Spitze gehört und glaubt all die anderen machen nur Bockmist, zumindest durch mehr oder weniger indirekte Äußerungen klare Abgrenzung betreiben. Wenn dann der Tag kommt, an dem Merkel und Konsorten, Sigmar und Peer abtreten, gilt man als Unbelastet bis Unverdächtig dem alten Klüngel anzuhängen. Da man ja oft genug wahrnehmbar vor dem falschen Kurs gewarnt hat, aber zugleich die Partei (und folglich ihre Spitzen) als die Besten (derzeit) hervorgehoben hat, stellt sich später gar nicht mehr die Frage, ob derjenige das Vertrauen genießt. So finden Generationswechsel statt.

In meiner Partei ist nun so, das man neben einem Generationswechsel noch den der Familienzugehörigkeit zu klären hat. Wie in einer Monarchie ist Blut dicker als Wasser, umso seltener sind an den Spitzen der Gremien die gesät, die nicht entweder einem alten Geschlecht von Sozialdemokraten angehören, oder ihnen zumindest dienlich oder besonders zugetan sind. Immer die selben Namen an herausragenden Stellen erinnern den Wähler allerdings daran, das sich nichts tut im Apparat. Und da beißt sich die Katze in den Schwanz und die Maus kein Faden ab: Wer wirklich etwas verändern will, darf sich nicht niederer Beweggründe wegen mit dem Establishment gemein machen. Und gewinnt letztendlich trotzdem. Wir leben nicht mehr in der Monarchie – auch wenn es genug Blättchen gibt die das hochhalten, von BILT bis Bunte.

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