Marketing mit, wegen oder gegen Mehrwert

Nico Lumma schreibt über die Reise eines eingecheckten Koffers, einen Koffer bestückt mit einem Haufen Kameras auf der Reise durch die Katakomben zweier Flughäfen, über Rollfelder und hinein in den Rumpf eines Flugzeuges. Mit dem Video wird eine Mehrwert angelegte Kampagne von Delta Airlines begleitet. Mit deren App zur Verfolgung des eigenen Gepäck auf der Reise von A nach B soll man wohl prima die Zeit überbrücken können, bis die eigenen Gepäckstücke aufschlagen. Damit eine ganz witzige Idee, mit der sich manche Wartezeit überbrücken lässt. Damit füllt Delta Airlines in Vertretung der Vielzahl von Airlines aber wieder nur eine neu geschafffene Nische, indem es ein neu geschaffenes Bedürfnis befriedigt. Denn es beruhigt vielleicht, zu wissen das in der Zeit in der man ganz dringend auf die Flughafentoilette am Gepäckband muss nicht das Zeitfenster ist indem jemand – beabsichtigt oder unfreiwillig – mit dem Hab und Gut davon zieht. Aber vermutlich wird damit nicht denjenigen geholfen, deren Koffer unter 100 kurzfristig oder auf Nimmerwiedersehen verschwindet. Dabei wäre genau dieser Ausnahmefall hervorragend geeignet, einen Mehrwert darum aufzusetzen:

Mit dem Flugzeug der Airline eines „Polypolkartell“1 waren wir am 25. Oktober in Paris, „auf CDG“ angekommen. Denn nachdem meine Tasche in Rekordzeit aus dem Schlund des Keller dieses quasi neuen Flughafens hervortrat, lies der Koffer meiner Frau auf sich warten. Zunächst so lang, das die Monitore meldeten, alles Gepäck sei nun entladen. Und doch rotierten da nur Gepäckstücke, die weder den anderen wartenden Reisenden noch uns zuzuordnen war. Mit dem Gepäckabschnitt in Händen begaben wir uns zum Schalter, wo „die Verwaltung“ übernahm: Das besagte Dokument wurde entgegen genommen, die freundliche Dame überreichte eine Matrix aus Gepäcktypen, Farben, Marken und sonstwas. Dann gab sie in ihre Masken ein, was die Befragung, des Gepäck- und Flugschein hergab.

Nun sind wir beide des Französisch nicht mächtig, und auch nicht mit den AGB der Fluggesellschaft vertraut, doch was uns von der freundlichen Dame in Paris versichert wurde, wurde meiner Frau von ihrem Pendant hierzulande mit allerlei Papierkram, Formalia und Anruf beim Chef zu verhindern versucht: Wiedergutmachung in symbolischer Form, durch Ausgleich eines niedrigen zweistelligen Rechnungsbetrag für das Nötigste. Da wurde gerechnet, gerundet und gefeilscht, als sei man statt bei Lufthansa bzw. Star Alliance auf einem bayrischen Wochenmarkt. Und wir waren nicht allein. Allein in der Zeit, in der meine Frau um Fassung rang, kam beispielsweise ein Pilot der selben Airline an die zahlreichen Schalter und erkundigte sich nach seinem seit Tagen verschollenen Gepäck. Trotzdem der Koffer mit allem Hab und Gut für zwei Tage verschwunden war, wir nur für drei weitere Tage vor Ort waren und uns „Schaden-mindernd“ schwer taten mehr Zeit und Geld als nötig mit dem Einkauf essentieller Kleinigkeiten abzumühen – in einer Stadt in der man spielend dreistellige Beträge für einen Satz Klamotten ausgeben kann wohlgemerkt, tat man am Schalter alles um allenfalls zwei Paar Socken zu bezahlen, weil der Rest am dritten Tag durch Auslieferung des Gepäckstück ja überflüssig gewesen sei. Man sei, so habe ich am Rande mitbekommen, verpflichtet sich Schaden-mindernd zu verhalten.

Was ich gelernt habe: Wer fliegt, verliert – Zeit, Geld, manche auch die Nerven2 und die Geduld3. Denn auch die zu Anfang erwähnte App ist zwar unterhaltsam, aber wie das neue Radar der Bahn macht es Züge und Flüge nicht pünktlicher, leerer und führt Gepäck nicht magisch dem Besitzer zu. Das ist nur Marketing mit vermeintlichem Mehrwert.

All das verhindert nur, wer nicht auch noch die letzten Arbeitskräfte auf den Flughäfen und Bahnhöfen, in den Zügen, am Boden und in der Luft einspart und/oder durch Automaten ersetzt.

  1. wettbewerbsrechtlich ohnehin schwierig zu rechtfertigenden []
  2. Stichwort Simpsons in einer der jüngeren Folgen []
  3. gutes Beispiel: Gérard Depardieu []

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