Liebesbrief an den „lieben Karl-Theodor zu Guttenberg“
»Es ist Mittwoch, 16.42 Uhr. Während ich ‚Lieber Karl-Theodor‘ schreibe, wollen 382.581 Facebook-Fans Ihre Rückkehr in die Politik.«1 So melodramatisch kann nur einer, so schmachtend ebenso: Der Liebesbrief ist vom BILT Künstler Franz Josef Wagner, gerichtet eben an den „Lieben Karl-Theodor“. Und schließt mich den Worten »Es ist jetzt 18.52 Uhr, 420.609 Facebook-Fans wünschen sich Guttenberg zurück. Was für eine Lovestory. Deutschland ist verliebt.« Deutschland ist verliebt? Ich bin Deutschland, nicht BILT, und ich bin verliebt, aber gewiss nicht in den „Lieben Karl-Theodor“. Was mag passiert sein, mit „Franz Josef Wagner“, in der Zwischenzeit – immerhin über zwei Stunden, ist Franz Josef mit seinem gerahmten Guttenberg kurz wohin verschwunden? Anders lässt sich nicht erklären, warum Franz Josef jene Stützstellen aus Zeitpunkten und Zufallszahlen an Anfang und Ende des 130 Worte „starke“ Pamphlet platzierten haben mochte. Seine Ode an das Öde, an Dr. a.D. Selbstverteidigungsminister vor dem Freiherrn zu Guttenberg, kann jedenfalls keine zwei Stunden verschlungen haben. Das zum Großteil aus bestimmten und unbestimmten Artikeln, Wiederholungen und feuchten Träumen bestehende Machwerk dürfte auch nicht zum Erfolg des Blättchens beitragen, höchstens zum Gefallen einiger wirklich schwer umnebelter „Facebook-Fans“ von zu Guttenberg, die nicht der Propaganda Werbung in eigener Sache dem Artikel „Zweite Chance für Guttenberg?“ mit Hinweis auf „Guttenberg-Fans demonstrieren in 22 Städten“ und der vermeintlichen Graswurzelbewegung in Facebook. Das hunderttausende Fans ebenso gekauft sind wie die Anzeigen, die der feine Herr Minister kurz vor seinem Ableben im Amte noch an BILT vermittelt hat, ebenso gekauft wie die wohlwollende Berichterstattung zu Gunsten des adeligen Kopiergerätekünstlers dürfte klar sein. Das die ausgelassene Erwähnung des bedeutungsvollen Zeitpunktes für seinen Abschied, dem 1. des Monats und also einer damit verbundenen fetten Zulage ist schon kaum noch der Rede Wert, in Anbetracht der Qualität von „Unabhängig. Überparteilich“. Gleich auf der folgenden Seite wird schon für den blassen Nachfolger geworben, und für die 125. „Volks-Aktion“. Denn neben der Berichterstattung – wenn man sie beschönigen so nennen will – hat sich der Axel Springer Verlag inzwischen der Vermarktung beliebigen Unrats auf dem drei Millionen „Leser“ erreichenden Vertriebsweg Blättchen gewidmet. Da wird die „Kapitalistenbrause“ in Form einer Symbolfigur beworben, dort wo auf der Spiegelseite, unter dem Liebesbrief an den „lieben Karl-Theodor zu Guttenberg“, der „Rekord-Gewinn“ für Axel Springer und eine „Rekorddividende“ für seine Anteilseigner verkündet wird. Dazwischen, davon eingerahmt eben der scheidende KT, der Neue, Karl de Maizière, als solcher ein ebenso großer Versager im Innen- wie KT im Verteidigungsministerium, sowie Hans-Peter „Wer ist der neue Innenminister?“ Friedrich von der CSU. Die heutige BILT, per Eigentumsaufgabe am Frankfurter Hauptbahnhof „erstanden“, zeigt mir: Das Auslands- und das Onlinegeschäft mögen die größten Potentiale für Angela Merkels Busenfreundin Elfriede Springer bergen. Das klassissche Geschäft mit den „Volksprodukten“ aber verspricht wahrscheinlich noch die höchste Rendite. Nein, nicht etwa jene niedliche „Volks-Kiste“, die einem auf Seite 3 anlächelt, sondern das Kerngeschäft, die Volksverdummung per Schlagzeile, Verleumdung und politischer Einflußnahme. „Unabhängig. Überparteilich.“? Das ich nicht lache. Wie viele von den 400.000 „Facebook-Freunden“ aus Fleisch und Blut sind, und nicht linear abhängige Hirngespinste eines PR-Futzi, das wird sich morgen auf den 22. Samstagsdemonstrationen für zu Guttenberg zeigen. Mein Tipp: Das wird keine Schlagzeile wert sein.
Vor allen Anderen habe ich die Berufung zu Guttenbergs orakelt, seinen baldigen Abgang aufgrund der Kundus-Affäre zu früh erhofft und auch dann und wann etwas über den Shooting-Star des Kabinett „Teflon-Merkel“ II verloren. Das wird aber definitiv mein letzter Aufreger, und mein letzter Tipp in der Sache: Den sehen wir nicht wieder. #Guttbye so!
- Glosse? Persiflage?? Satire??? Auf alle Fälle unter dem Titel „Post von Wagner“ in der BILT-Bundesausausgabe, Seite 2; halbwegs richtige Fussnoten müssen sein [↩]