GPRS: Germans Paket Rate Shit
Man könnte ihn auch »Germans Paket Rate Shit« nennen, denn nach beinah zwei Jahrzehnten kommerziellem Internet1, dem verschleiernden Wettbewerb einiger weniger Festnetz- und Mobilfunkkanbieter, jeder mit einem Dschungel von Tarifen ist es das: GPRS (oder: General Packet Radio Service bzw. eingedeutscht: Allgemeiner paketorientierter Funkdienst) ist der paketorientierten Dienst zur Datenübertragung in GSM- und UMTS-Netzen. Und in weiten Teilen Deutschlands ist GPRS ausschließlich in GSM-Netzen verfügbar und somit limitiert auf eine digital-steinzeitliche Bandbreite, die meine Generation noch durch quasi elektronische Musik ihrer Modems kennt. 12 Pfennige kostete eine Einheit am Wochenende, hielt eine ganze Stunde ununterbrochen und theoretisch wären darüber nach Stand der Hardwaretechnik – nicht der, der Endkundenzugänge und -geräte, für die noch üblicherweise geringere Bandbreiten verkauft wurden, um sie Jahre später dann mit dem letzten Stand der Technik erneut zu versorgen – so viele kbit/s möglich wie in weiten Teilen der Republik heute. Das ist kein Witz. Das derzeit suggeriert wird, die Abdeckung läge bei einem zufriedenstellend hohen Wert liegt möglicherweise daran, das hier Äpfel mit Birnen verglichen werden, zu genau habe ich mich mit der Plakatwerbung mit in großen Lettern gesetzten 99.9% nicht befasst, als das ich sagen könnte ob damit Bevölkerung, Fläche oder vielleicht sogar nur die eigene Kundschaft gemeint sein könnte. Die maximal verfügbare mobile Bandbreite aber ist beispielsweise mancherorts in Berlin nicht besser als die Kupferdraht-gebundene seinerzeit – und das ich jetzt Äpfel mit Birnen vergleiche hängt mit 20 Jahren Erfahrung und dem Wissen um das mögliche Bessere zusammen, wären da eben nicht manche „privatwirtschaftlichen“ Bedenken- und Hoffnungsträger.
Denn es bleibt andererseits beispielsweise allein 250.000 Hessen nichts anderes übrig, als genau darauf zu hoffen, das in ihrem Sendegebiet mit UMTS eine Übertragungsrate zur Verfügung gestellt wird, die der Anbieter der letzten Meile Festnetz nicht zu leisten im Stande ist – nach „ökonomischen“ Gesichtspunkten, aus seinem Blickwinkel. Das heißt nichts anderes, als a) bei der zu erwartende Nachfrage im jeweiligen Gebiet ein Ausbau nach zeitgenössischer Kennzahl „nicht rentabel“ finanziert werden kann und b) dafür dann bitte der Steuerzahler – im Endeffekt also alle Kunde abermals – das unternehmerische Risiko in Form von Bürgschaften übernehmen möge. Genau in das Horn bläst bald auch die Politik, wenn ihnen versprochen wird zu „fairen“ Konditionen jeden Menschen unabhängig von seinem Wohnort zu vernetzen. Und ich hoffe das die Verantwortlichen sich nicht über den großzügig dimensionierten Konferenztisch der Anbieter zerren lassen, an die sie großzügig eingeladen werden.
Wenn Wertschöpfung in Deutschland derzeit gesellschaftlichen Nutzen haben sollte, dann indem man „auf dem flachen Land“ die selbe Infrastruktur vorhält, die in Großteilen jeder Kleinstadt, Stadt, Möchtegernmetropole oder Großstadt gegeben sind. Wenn ich hier vom „flachen Land“ spreche, meine ich damit allerdings auch die Funklöcher in den Straßenschluchten der Metropolen, die fraglos existieren. Damit wäre nicht nur der Zugang dort gesichert, sondern auch der Landflucht der jugendlichen Bevölkerung ein gewichtiges Argument genommen, eine Generation für die der Selbstverständnis vom Zugang zum Netz noch einmal deutlich höher liegt als die jüngste Wasserstandsmeldung, nach der über 70 Prozent der Bevölkerung regelmäßige Nutzer sind.
Machbar wäre das über die jüngst lizenzierten Frequenzen, Technik hierfür stünde schon zur Verfügung. Bis allerdings Angebote hierfür am Markt sind, dürfte noch einige Zeit vergehen: Nicht ganz von der Hand zu weisen ist die Homogenität des Strom- mit dem Telekommunikationsmarkt. Da gibt es vier Oligopolisten, vom Kunden und Produkt losgelöstes Selbstverständnis und -vertrauen der Konzerne, höchst undurchsichtige Tarifstrukturen aber in letzter Konsequenz ein einheitliches Preisniveau, und gute Kontakte in die Politik.
Dieser „Markt“ aus Preisabsprachen, technischer Unzulänglichkeit und Subventionsspekulationen kann nicht damit gemeint sein, wenn mancher Manager, Politiker oder Journalist den freien, möglichst freizügigen Markt hochjubeln – noch dazu in einer sich selbst so bezeichnenden Bildungsrepublik2.
Dem »Germans Paket Rate Shit« fehlt noch eine „shit storm“, ein Sturm aus Scheiße, also breite, nachhaltige und investigativ-negative Berichterstattung über den Zustand der deutschen Netzinfrastruktur zu Anfang der neuen Ära. Das „flache Land“, das mit Jahrzehnte alter Technik surft. Mobilfunkkunden, die in pro KByte abgerechneten Tarifenunterwegs sind und damit ihrem Anbieter überflüssigerweise Wasserhähne vergolden. Nach oben künstlich abgeriegelte Bandbreiten ansonsten technische dazu fähiger Netzteilnehmer sind keine Seltenheit. Tarife gäbe es zu beobachten und hieraus Preisabsprachen zwischen den Monopolisten abzuleiten. Das Angebot an Missständen auf dem Markt ist groß, die Nachfrage nach einer Bereinigung des Marktes ebenso.
- mitsamt den Desastern unzähligen ebenso kommerziellen Fehlschlägen T-Online Aktie, R.I.P. Compuserve, AOL Time Warner, Robert T. Online [↩]
- „steile These“: Bildung kann hierzulande nur gerecht verteilt werden, wenn jede Schülerin, jeder Schüler gleichberechtigten Zugang zum Internet und somit zum Kopieren seiner Referate hat. [↩]