Hessische Tragödie in fünf Bildern
In Flörsheim ist die Welt noch in Ordnung, auf dem Parteitag wird die Landesliste verabschiedet. Auch wenn die Vertreter des Netzwerk Hessen im Hintergrund bereits die Messer wetzen, und sich über ihre vermeintlich unfaire Behandlung bei der Listenfindung1 und ihrem Bekunden nach fehlende inhaltliche Debatte2. Bislang hatten Indiskretion aus den Reihen der Parteirechten bereits dazu geführt, das ein internes Memo an die hierin unter anderem kritisierten Pressevertreter durchsickerte.
Andrea Ypsilanti hievt Jürgen Walter in ihre ZUKUNFTSTEAM, der zeitgemäßen Variante eines Schattenkabinett, von Walter selbst in KOMPETENZTEAM umgewidmet. Mit den Nominierungen machte Ypsilanti zwar fortwährend auf die Kompetenzen in den Reihen der SPD aufmerksam, sich sicherlich aber auch nicht bei allen Parteifreunden beliebt, die sich einen der benannten Posten versprachen.
Dagmar Metzger empfängt Andrea Ypsilanti in ihrem heimatlichen Wahlkreis, beim Neujahrsempfang der SPD Ober-Ramstadt. Im Hintergrund ist Günther Metzger zu sehen, Dagmar Metzgers Schwiegervater, der sich später wieder vehement in die Politik einmischen wird, aus der er sich eigentlich schon längst verabschiedet hatte. Günther war nicht ohne Einfluß, den er durch Klientelpolitik in die eigenen Reihen und Spaltung derer durch Spaltung der SPD in SPD und Parteirechte zu stärken verstand.
Im neuen Jahr, etwa vier Wochen vor der Wahl, treffen Metzger und Ypsilanti abermals in Metzgers Wahlkreis aufeinander, gemeinsam sammeln sie Unterschriften für den Mindestlohn, eine politische Forderung die sich später auch auf Bundesebene wiederfinden sollte und in der Form in Hessen erstmals als politisches Ziel von der SPD gefordert wurde.
Andrea Ypsilanti reicht ihrem Kontrahenten Jürgen Walter in Rotenburg die Hand: Das letzte Wort war noch nicht gesprochen.
Wer meint, die darauf folgenden Ereignisse seien der letzte Akt dieser Tragödie gewesen, irrt. Neues Zweckbündnis aufrechter Sozialdemokraten gegründet vermeldete neulich der Hessische Rundfunk. Das Lebenszeichen der Partei(auf)rechten versteht sich als Anspruch auf Relevanz. Und natürlich die Legitimation eigener Veröffentlichungen, einer von Jürgen Walter jederzeit gern genutzten Mittel, um sich Geltung über die Veröffentlichung der Partei hinaus zu verschaffen. Dem Grüppchen gehören einem mehr unfreiwilligen Mitglied der Gruppe etwa 1 Promillepunkt der hessischen SPD an, Treffen und Veranstaltungen seien selten, aber zielten immer auf zweierlei: Öffentlichkeit und Einfluss.
- niedriger einstelliger Prozentwert von SPD-Parteimitgliedern sehen sich dem innerparteilichen Flügel „Netzwerk Hessen“, „Netzwerk Berlin“ in irgend einer Weise zugehört = mindestens jeder dritte Kandidat muss vom Flügel gestellt werden [↩]
- zu diesem Zeitpunkt war der öffentliche Entwurf für ein Regierungsprogramm längst in der Diskussion, jedoch fehlte klassischerweise ein als Wirtschaftspolitik missverstandene, auf Industriepolitik- und Flughafenausbau beschränktes Politikspektrum, anderswo als Standortförderung bezeichnet [↩]