arte: Das System Total
»Millionen sterben. Lichter auf dem europäischen Festland gehen aus. Die Wirtschaft verfällt in eine langanhaltende Depression.« All das würde passieren, wenn wir in Europa auf die Gaspipeline nach Russland verzichten müssten. Mit diesem Szenario wendet sich ein Team Investoren, an deren Konferenztisch man in der arte-Dokumentation System Total man Mäuschen spielen darf, der Kehrwoche vor ihrer eigenen Haustür zu: Fracking. Das sie sich direkt anschließend im Meeting nach eigener Auffassung und durch Beobachtung von Dritten als »schlechte, böse Menschen« skizzieren, sagt schon alles. Da braucht man nicht einmal den Markt als alles legitimierendes Mittel. Dennoch: »In dem Segment (Fracking) der Energiegewinnung werde in den nächsten zwei Jahren mehr Geld gemacht als in den zwanzig zuvor.« Also: Wenn die Nachfrage da ist, das Angebot nicht illegal, dann könne ihr Handeln nicht schlecht sein. Schließlich wendet sich der eindeutig als Rudelführer der Gruppe Homo Investoren seinen Artgenossen zu und will qua Suggestivfrage wissen, ob im Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis seiner rangniederen Mitstreiter jemand bereit wäre mehr Geld für Erneuerbare ausgeben würden. Stellt sich raus: Einer, offensichtlich der einzige, der eine öffentlichstaugliche Antwort liefert, hat keine Freunde, sondern erzählt davon, dass er seinen Porsche dem E-Auto gegenüber bevorzuge. Alle lächeln verlegen in die Kamera und kredenzen Allgemeinplätze. Das sind sie: Die personifizierten flüchtigen Märkte, von denen immer alle sprechen. Die ganze Dokumentation ist sehenswert. Dieser Abschnitt aber besonders bemerkenswert. Denn ihm folgt ein Monolog. Und der hat es in sich, denn er sublimiert, wozu man als aufmerksamer Zuschauer bereits gekommen ist. Investoren, Lobbyisten und Juristen arbeiteten im Auftrag konventioneller Energieversorger an einem neuen System, einem hochdosierten Kapitalismus, einem der sich offensichtlicher aber nachweisloser Korruption, vergesellschaftete Verluste, gegenwertloser Enteignung, substanzlosem Greenwashing, traditioneller Umweltverschmutzung, juristische Tricks auf allen Ebenen, skrupelloser Menschenrechtsverletzungen, Betrug in unzähligen Facetten, neuem Kolonialismus und vielem weiterem mehr bedient und das Demokratien noch vor Herausforderungen stellen wird. Denn natürlich steht Total nur für einen Player auf einem von Markt in einem Segment. Führt man sich vor Augen, dass es derer viele auf vielen in vielen gibt, die sich allesamt dem Klimawandel entgegenstemmen, um ihren eigenen Untergang abzuwenden, wird einem übel. In System Total zeigt arte Einblicke in und tiefe Blicke auf den französische Mineralöl-Konzern Total. Es manifestiert sich ein seiner Macht bewusster Konzern, der sich mittels Investoren, Lobbyisten und Juristen, kurz mit jedem ihm zur Verfügung stehenden Mittel gegen die unsichtbare Hand des Marktes wehrt und also die Wirkung des Klimawandels auf sich abzuwehren versucht. Und das alles nur, weil wir an konventioneller Energie hängen wie Junkies an der Nadel.
arte: Das System Total via Twitter kommentieren