Offene Flanken
Bevorstehendes Wochenende ist das letzte Gefecht Oberbürgermeisterwahl in Darmstadt. Nachdem ich 2011 dachte, das der Tiefpunkt erreicht ist, musste ich die letzten Monate meine Meinung relativieren. Meine SPD tritt das erste Mal mit zwei Kandidaten an; trotz oder weil gegen den offizielle Kandidat zur Oberbürgermeisterwahl Michael Siebel genug objektive Argumente sprechen.
- Beliebtheit bei den Wählerin bei Direktwahlen: 2 von 3 Direktwahlen gingen auf Reißer (!) statt auf Siebel. Das muss man mal schaffen. Reißer macht nicht viel falsch, aber auch nicht viel richtig. Er ist selbst in seiner eigenen CDU nicht besonders beliebt, aber es ist eben die Union und Stammwähler wählen im Zweifelsfall sogar eine Scheibe Toastbrot. Und gegen den konservativen Kandidaten hatte Michael Siebel in zwei von drei Fällen kein Chance.
- Gleicher unter Ungleichen: Ein roter Oberbürgermeister gegen eine Grün-Schwarze ohne Mehrheit, mit Tolerierungspartner Uffbasse und wechselnden Mehrheiten wäre isoliert. Anders als in Frankfurt am Main, wo Schwarz-Grün immerhin eine eigene Mehrheit hat stünde Siebel nicht nur auf verlorenem Posten, sondern wäre komplett isoliert. Die eigene Fraktion wäre der einzige Kooperationspartner im Stadtparlament in Darmstadt.
- Ewige Opposition: Seit 1999 ist Siebel Landtagsabgeordneter in der Opposition. Mal abgesehen von einer Papierflut von Pressemitteilungen und kleineren und größeren Anfragen und abgebügelten Gesetzen hat Michael Siebel keinerlei Regierungserfahrung. Zugegebenermaßen kann der Oberbürgermeister kaum etwas falsch, aber eben auch wenig richtig machen, wenn er keine Koalition hinter sich hat. Siebel hätte rein repräsentative Aufgaben, wenn er den Magistrat nicht vielleicht sogar so umbildet, das er dabei Dezernate an sich zieht um sich zu verwirklichen.
- Demographie: Siebel ist bei der Wahl knapp 60, wäre bei der möglichen Wiederwahl 66. Ich bin mir nicht ganz sicher ob es ein höchstmögliches Alter für die Amtsinhaber gibt, aber ob jemand einen 66jährigen Oberbürgermeister wiederwählen würde, da bin ich mir sicher: Nein. 66 Jahre hatte die SPD in Darmstadt Regierungsbeteiligung. Und 20 Jahre hatte Siebel dabei großen Einfluss. Das Alter ist egal, die Dauer nicht.
- 17%: Nicht einmal jeder zehnte Wähler hat bei der Kommunalwahl vor genau einem Jahr der SPD seine bis zu 71 Stimmen gegeben.
- Spitzenkandidat: Michael Siebel war bei der vorletzten historischen Kommunalwahlschlappe Spitzenkandidat, und somit maßgeblich mitverantwortlich für 21%
Stimmergebnis. - Kein CDU-Kandidat ist keine Garantie dafür, dass der Vertreter der Koalition gewählt wird. Im Gegenteil werden sich die konservativen Wählerinnen und Wähler umsehen. Aber sie werden niemanden wählen, der der eigenen Koalition seit Jahren Fundamentalopposition entgegesetzt. Ich würde tippen, das vor allem die Frauenunion fast geschlossen Kerstin Lau von Uffbasse wählen wird, und ihre Männer mitnehmen wird, die zum Teil Partsch wählen oder das selbe machen.
- Nebeneinkünfte: Michael Siebel ist praktisch Vollzeit-MdL, aber der in der Fraktion mit den üppigsten Nebeneinkünften. Ob das der Grund dafür ist, das seine Fraktionskollegen in großer Zahl zur Unterstützung Darmstadt aufsuchten würden nur die beantworten können.
- Erste Wiederwahl: Die erste Wiederwahl eines erstmals grünen Oberbürgermeister der sich keine groben Fehler erlaubt hat, wird kaum zu Ungunsten des Amtsinhabers ausgehen. Anders war das bei Walter Hoffmann,
- Beschlüsse von Weimar: Die jüngste erste Wiederwahl eines SPD OB ging für den Amtsinhaber bekanntermaßen schlecht aus. Der „neue“ Kandidat war darin verwickelt. Der Fraktionsvorsitzende der SPD im hessischen Landtag intervenierte bei der Oberbürgermeisterwahl 2011 persönlich, als große Teile der Parteispitze in Darmstadt gegen den eigenen Amtsinhaber opponierten. Einer der Opponenten wollte sogar gegen den eigenen Kandidaten kandidieren, aber Michael Siebel gehört auf alle Fälle zu dem Kreis, die der Destabilisierung von Walter Hoffmann großen Anteil hatte. Mit Verlaub: Darmstadt hat diese 66 Jahre Sandkasten satt.
- Grünen rotes Tuch: Ansonsten halbwegs gesichert ist, das Siebel für die Grünen und derer allen voran Partsch ein Rotes Tuch ist. Eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen ihm und der Koalition ist schwer vorstellbar, wenn man sich den Trennungsstreit von vor fünf Jahren nochmal vor Augen führt, als die Darmstädter SPD nicht nur mit sich selbst, sondern vor allem auch mit dem ehemaligen Koalitionspartner beschäftigt war.
Alles reine Spekulation. Eine sichere Voraussage will ich aber noch treffen: Keine der Frauen, die die einzige Kandidatin wählen, ist mit einem Mann liiert, die Mohrmann wählt.
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