„Hochburg der Rechtstradikalen“ Halle an der Saale
@GordonRepinski ist mein Jahrgang, schreibt inzwischen als Hauptstadtkorrespondent, zuletzt aus der über die „Hochburg der Rechtstradikalen“ Halle an der Saale. Mit seinem Versuch einer Relativierung der von ihm im Artikel getroffenen Aussage wird er von den Lesern des Spiegel-Blog, indem die Entschuldigung, vielmehr Rechtfertigung stattfand, ertappt und es sich noch mehr ahnungslos.
Dieser Artikel ist Zeugnis dessen, was wir in zwei vom Grundgesetz besonders berührten Bereichen derzeit erleben, und der Artikel berührt auch noch beide, insofern ist Gordon Repinski wohl unbewust auch ein Meisterstück gelungen. Inwiefern will ich gern beschreiben:
Nach dem 11. September 2001 wunderte man sich – in den USA insbesondere, wie unter den Augen der Öffentlichkeit und ihrer Beobachter, der zahlreichen Geheimdienste, ein Haufen junger Leute Flugtrainings absolvieren, bei denen es ihnen nicht auf die Landung ankam, sondern vielmehr darauf das Flugzeug in der Luft zu halten und zu lenken. Nach dem 4. November 2011 wunderte man sich – in Deutschland insbesondere, wie unter den Augen der Öffentlichkeit und ihrer Beobachter, der zahlreichen Geheimdienste eine kleine Gruppe knapp 30 mehr oder weniger Junger Leute mit dreien an der Spitze 10 Menschen über zehn Jahre hinweg umbringen konnte, mit ein und derselben Waffe 9 Menschen mit Migrationshintergrund und eine Polizistin aus dem Umfeld der Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ umbringen konnten, ohne erwischt zu werden. Man befand – in den USA zumindest, das allein die technologische Überlegenheit nichts nutzte, man hatte die Tradition der Schlapphüte an den Nagel gehängt und gegen überfüllte und überbewertete Schaltschränke ausgetauscht. Hierzulande unterstützten einige Zeitungen – darunter BILT, den Mythos von „Dönermorden“, und das obwohl, wie wir heute alle wissen, bei den Verfassungsschutzämtern und den Polizeien Erkenntnisse vorlagen, die den Schluss nah legten, das es nach den 1980 Jahren auch in der Nachwendezeit nicht nur knapp 200 halbwegs unorganisierte Morde mit rechtsradikalem Hintergrund gab, sondern eine Terrororganisation ihr Unwesen trieb, die im Vergleich zur RAF, gemessen an der Mitgliederzahl diesen intellektuell prekären Milieu deutlich besser vernetzt war.
Was haben der 11. September und der „Nationalsozialistische Untergrund“ also gemeinsam: Überheblichkeit der Presse oder Unfähigkeit der Behören? Was hat die Presse in Zeiten des Leistungsschutzrecht und fehlende Einblick sowie Einsicht in das beobachtete Milieu miteinander zu tun?
Man hört, manchmal prüft man auch – gegen. Meist aber sind die geheimdienstlichen Informationen, die zum Großteil aus öffentlichen Quelle stammen, so beschissen wie die Quellen selbst, nämlich die Zeitungen. Und in Zeiten in denen in Zeitungen Anzeigen für ein hessisches Netzwerk rechtsextremer Inhaftierter geschaltet werden, ohne das der hessische Verfassungsschutz auch nur den Hauch einer Ahnung hat, ist es Zeit sich Gedanken zu machen, ob überhaupt jemand aus den zehn Toten der NSU gelernt hat? Oder aus den 3.000 in den Türmen gestorbenen, oder den guten Million Toter die bislang im „Krieg gegen den Terror“ mit „Präzisionswaffen“ verheizt wurden, ohne das die globale Sicherheitslage sich zum Bessern gewandt hätte. Es ist wieder an der Zeit nicht nur über etwas zu schreiben, wie Gordon Repinski über Halle als Hort und vermeintliche „Hochburg des Rechtsextremismus“. Wir müssen es auch erfahren. Wir müssen, um es mit den Worten von Sigmar Gabriel zu sagen, „dorthin wo es stinkt“ und da bietet sich Rechtsextremismus geradezu an. Gordon Repinski sollte am 1. Mai mal nach Frankfurt kommen, dann können wir ihm das Rhein-Main-Gebiet im Zentrum CDU regierten Hessens als das vorstellen was es ist: Der Versuch einen rechtsextremen Wallfahrtsort in einer funktionierenden multikulturellen, multiethnischen Gesellschaft zu machen. Und wir werden wieder erleben wie ein paar wenige Antifaschisten kriminalisiert werden, von den selbst ernannten Experten für Innere Sicherheit, der konservativsten CDU seit 1949, mit Roland *Unterschriftenlisten gegen Ausländer“ Koch, Volker Bouffier und Boris Rhein.