Vom Handeln und Wählerstimmen
In der Analyse von Wahlniederlagen sind wir Sozialdemokraten inzwischen unschlagbar. Nur ziehen wir fast immer die falschen Schlüsse, oder ziehen und ignorieren sie. In Darmstadt beispielsweise bemühte sich die Sozialdemokratie nicht um zigtausende Kritiker der Nordostumgehung, die ihr im Jahr 2009 beim ihr ersten Bürgerentscheid eine klare aber nicht rechtswirksame Absage erteilten. Anstatt sie ins Boot zu holen, paddelte man neben dem zweiten eindeutigen Wahlverlierer der Kommunalwahl 2011 dem Wasserfall entgegen, den man schon rauschen hören konnte als die Bürger über und gegen die „alternativlose“ „ultima ratio“ Nordostumgehung entschieden. Insbesondere im Osten entschieden sich die Bürgerinnen und Bürger bei der Kommunalwahl gegen das nächste Großprojekt, und zwar weg vom vierspurigen Grobentwurf der CDU direkt hin zum vorzeitigen Projektende Bündnis 90/Die Grünen. Insofern ist die Analyse von Hanno Benz (Fraktionsvorsitzender der SPD-Fraktion und Vorsitzender der Darmstädter SPD a.D.) schon richtig:
Der Osten Darmstadts ging direkt von der CDU zu den Grünen. (…) Wo bleiben die rot-grünen Grundorientierungen?
Allerdings ist es keineswegs eine fachliche Analyse, sondern allenfalls eine statistische. Das die Wählerwanderung von der CDU zu den Grünen stattfand, weil nur dies die Nordostumgehung abwenden würde, das wird hierdurch nicht eingeräumt, ist aber des Pudels Kern. Nur durch die Entscheidung für den entscheidenden Gegner haben die zig tausenden Gegner der Nordostumgehung sicherstellen können, das der Wahnsinn nicht wahrhaftig wird. Selbst grundsätzlich mit der SPD sympathisierende Wählerinnen und Wähler, die von dem „Millionengrab“ nichts hielten, wurden so davon abgehalten ihr Kreuz bei der SPD zu machen. Mag sein das es eine „rot-grüne Grundorientierung“ gegeben haben mag, als den Grünen von der SPD noch mit der Dachlatte gedroht wurde und der Oberbürgermeister noch Genosse war und auch auf den Namen Benz hörte. Diese Milieus aber haben sich vor Jahren aufgelöst, und sind Partikularinteressenparteien wie Uwiga gewichen. Der untaugliche Versuch die Milieustudie auf die Kommunalwahl herunter zu brechen darf daher zwar als ein Erklärungsversuch für die Niederlage nicht vernachlässigt werden, als Ergebnis der Analyse taugt er nicht.
Das den mit der CDU regierenden Grünen fast nichts1 einfällt, um dem Verkehrsinfarkt Darmstadts entgegen zu wirken, muss thematisiert werden. Dann sind die mehrheitlich der Verkehrsverhältnisse wegen und von den Großprojekten angewiderten Darmstädtern wieder zu überzeugen. Und es darf den Darmstädtern nicht der Eindruck entstehen, sie seien wie auf Marktplatz „von der CDU direkt an die Grünen gegangen“. Deplatzierte Analogien wie diese sind es nämlich die den Darmstädtern ihre Erinnerung an eine rot verfilztes Darmstadt wach halten. Wählerinnnen und Wähler sind keine Handelsware, sie sind der Kunde, und also sind sie in einer Demokratie die Könige.
- außer der ebenso untauglichen Umweltzone und 5 Mark für den Liter Benzin [↩]