25. Oktober 2010
Mit einer analogen Einwegkamera wollte ich meinen vorletzten Geburtstag, den 25. Oktober 2010 begehen, indem ich den hinter mir liegenden Lebensabschnitt „Frankfurt am Main“ noch einmal im Bilde festzuhalten. Mit solchen Einwegkameras hatte ich schon in meiner Kindheit in „Frankfurt/M.“ hantiert. Lang noch bevor ich meine erste Kompaktkamera mit mechanischem Filmtransport, eine APS mit automatischem Filmtransport – und System-bedingt Panoramafunktion – oder jene weil erste legendäre Digitalkamera ihrer Art, eine Casio QV-10A mit schwenkbaren Objektiv zum einfachen anfertigen von Selbstportraits mein Eigen nannte.
Noch früher lernte ich Rückenschmerzen kennen. Nicht als Betroffener, sondern als förmlich mitleidender meines Vaters sowie eines Mitschülers. Ich verstand damals in der Grundschule noch nicht wirklich, warum sich der Schulfreund in der laufenden Stunde auf dem Boden lang machte um seine Wirbelsäule zu entlasten, bis ihn seine Mutter abholte. Lag vielleicht daran das mich meine oft genug abholen musste, weil ich kein Blut sehen konnte. Doch mein Vater hatte mir mit Schilderungen auf Nachfragen hin oft genug angerissen, was es für mich eines Tages bedeuten könnte, von einem Bandscheibenvorfall betroffen zu sein. Seine Bandscheiben wurden damals durch operativen Eingriff behandelt, ohne das in meinen Augen Linderung eintrat. Und so war ich immer wieder sehr betroffen, zu sehen mit wie viel Schmerzen er hantieren musste, obwohl die Ärzte ihr damals Möglichstes an ihm vollführten.
Fotografieren war also wie gesagt jeher mein Hobby, Rückenschmerzen hatte ich nie gekannt. Am 25. Oktober 2010 begab ich mich auf eine Reise in meine jüngere Geschichte, und wie sich herausstellen sollte nicht allzu ferne Zukunft. Mit eben jener Einwegkamera wollte ich Orte meiner Kindheit und Jugend festhalten, und für diesen Beitrag in Worten festhalten.
Montag, 25. Oktober 2010, 12:24 Uhr, notierte ich dazu noch nichts ahnend »Der Tag fängt ja gut an: Wecker und anderes mehr sind ausgefallen. Stromausfall im Kleinen: Mit dem Ladekabel für das Notebook muss ich offensichtlich den wohl schon losen Verteiler aus der Steckdose geholt haben. Kaum aus dem Haus, bremst der voranfahrende Fahrzeughalter aus heiterem Himmel, auf dem Straßenbahndamm torkelt oder humpelt ein Mann während eine Straßenbahn an ihn heranbraust. Auf dem unebenen weil ungepflegten Bahnsteig kippt mein darauf abgestelltes Fahrrad samt -tasche und der darin befindlichen Suppe um – wie zu erwarten war habe ich kein Glück, die Suppe ist nunmehr halbtrockener Eintopf, aber immerhin: Die wasserdichte Planentasche hält was sie verspricht, inklusive Suppenkräutern.«
Und zwar in beide Richtungen, Feuchtigkeit im Innern ebenso wie für den eigentlich Zweck der LKW-Plane: In Frankfurt fuhr ich an den Main, ging hinunter und wusch mit Mainwasser erstmal den neu verteilten Tascheninhalt aus. Dann begab ich mich 500 Meter weiter, knipste mein inzwischen drittes Motiv, und erlitt plötzlich beim Aufsteigen einen Bandscheibenvorfall. Von dort, wo ich nun wie ein Hufeisen geformt gebückt stand konnte ich nicht einmal ein Straßenschild sehen, noch erkennen vor welcher Hotelrückseite ich mich befand. Ich konnte mich schlicht keinen halben Meter mehr bewegen.
Die vorbeiziehenden Yuppies waren für mich so hilfreich wie für den Rest der Ökonomie, so hilfreich wie die demontierte SOS-Säule und eine Kurzwahl zur Taxi-Zentrale ohne Kenntnis meiner genauen Position. Tatsächlich passierten mich in der ersten Stunde dutzende Anzugträger, die ihrem feinen italienischen Schuhwerk ein wenig Auslauf über die Nizza gönnen wollten. Allesamt dutzendfach Arschlöcher, von denen keiner sich die Mühe machte zu fragen ob alles oder nichts in Ordnung sei. Und auch der herbei borderte Taxifahrer, den die Taxizentrale nach meiner dürftigen Beschreibung schickte, brauchte drei Anläufe bis er endlich begriff, dass das weithin sichtbare Elend sein Fahrgast sein müsste.
Ja, was sollte von einem Montag schon Gutes zu erwarten sein – selbst wenn es der eigene Geburtstag ist.