Trotzdem er Kreide frisst: Populist bleibt Populist
Unter einem überaus streitbaren Blog-Beitrag um den sich als Pferdegenetiker selbst neu entdeckenden Thilo Sarrazin kommt der Kommentator chriwi auf der mir bisher schlichtesten Kausalkette von einem hunderte Seiten starken Pamphlet1 auf dessen Widerspruch, und zwar sinngemäß: »Intelligenz ist nicht allgemeingültig definiert, also nicht messbar. Was nicht messbar ist, dessen Herleitung als SI-Einheit ist unmöglich.« Müsste eigentlich jedem halbwegs Begabten einleuchten.
Das Problem an der Diskussion allerdings ist, das die meisten Menschen, denen Sarrazin ihre neue Bibel spendiert hat, das letzte Mal vor Jahren bis Jahrzehnten ein Buch in Händen hielten und/oder eine Schule von innen gesehen haben. Sie konsumieren statt zu reflektieren. Eben jenen reichen ein paar einfach herleitbare Gleichungen, die sie in leicht verdaulicher Form verdrücken können. Und in die Gefahr eines Diskurs mit Sarrazin kommen sie gar nicht: Veranstaltungen wie die im verlinkten Video wiedergegebenen sind nicht als Debatte angelegt, ebenso wenig wie es das Format Bestseller ist. Es handelt sich schlicht um einige populistische bis rassistische Thesen, die bei Lichte betrachtet selbiges scheuen sollten. Populisten mit Argumenten beizukommen gelingt nie, das schaffen immer nur Populisten durch immer populistischere Thesen – gleiches gilt im übrigen für Rassisten. Und da schließt sich der Kreis.
Welcher Gattung Sarrazin letztlich angehört, das haben Juristen landauf, landab bescheinigt, indem sie seine Thesen straffrei gestellt haben. Und meine SPD, indem der Vorstand sein Mitglied zur Mäßigung aufgerufen aber nicht ausgeschlossen hat. Durch derlei Urteil erteilen Juristen und Politker dem textuellen Sprengstoff eine Unbedenklichkeitsbescheinigung, nur weil er so wichtig oder wortgewandt ist. Und mit der unbedenklichen Attitüde verschafft er sich vermutlich auch in seinem demnächst erscheinenden neuen Werk wieder neue Leser. Und da schließt sich der Kreis wieder.
- namens „Deutschland schafft sich ab“ [↩]