Reisebericht aus Jamaika
Mit Fanfaren und Feuerwerk, Pauken und Trompeten hatte man beim „ehemaligen Nachrichtenmagazin“ die erste Jamaika-Koalition begrüsst. Wie schon bei der ersten öko-konservativen Schwarz-Grün Koalition hatten die Vorschusslorbeeren nur begrenzte Haltbarkeit. Der neue Politikstil, das Signal des Aufbruchs, von dem Der Spiegel immer wieder phantasierte, wollte sich nicht einstellen. Was im Stadtstaat und dem kleinsten Flächenland als Keimzelle mit Vorbildfunktion für Flächenländer angedacht war, scheiterte am Freitag kläglich.
Vorgeschoben wird die FDP, zur Zeit ohnehin selten mit guten Schlagzeilen präsent. Vor allem aber die „unkonventionellen“ Grünen1 dürften ihr Scherflein zum Bruch beigetragen haben: Mit Macht ins Amt und nur um der Macht Willen umgehen klappt schlicht nicht. Die mit sich selbst beschäftigte FDP hat zum Niedergang der ersten und für lange Zeit letzten Jamaika-Koalition nichts zu tun. Die Jahrzehnte lang regierende CDU hat langfristig ihre Felle davon schwimmen sehen und die Notbremse bedient. Und für die Grünen gilt Grüner wird es nicht. In der Opposition durften Die Linke und SPD zuschauen, wie das dem Saarland aufgebügelte ungleiche Trio CDU-FDP-Grüne das Schlechteste aus dem Wahlergebnis heraus holten.
Und damit das Drama ein Ende hat, macht Heiko Maas was jeder Oppositionspolitiker in und aus der Situation machen muss: Ein Gesprächsangebot unterbreiten. Daraus wird dann für das „ehemalige Nachrichtenmagazin“ Die SPD schachert offenbar schon um mögliche Posten. – im Teaser wohlgemerkt.
Mit dem prominent platzierten schachern2 outet sich das ehemalige Nachrichtenmagazin mal wieder – auch in Sachen Qualitätsjournalismus und journalistischer Unabhängigkeit:
Als es in dem Artikel endlich auf die SPD zu sprechen kommt, die ja nun am Drücker ist und im ersten Satz genannt gehört, zumal bei so einem überzogenen Abqualifizierung im Teaser, sind acht Absätze vorüber:
»Sie hat den Sozialdemokraten bereits Gespräche für eine Koalition angeboten, das SPD-Präsidium sprach sich am frühen Freitagabend für eine Aufnahme der Gespräche aus. Fraktionschef Heiko Maas wolle für den Fall einer Großen Koalition ein Superministerium, berichtet der Saarländische Rundfunk.«
Folglich bezeichnet Der Spiegel das ganz normale Vorgehen einer Partei, das Gesprächsangebot an einen möglichen Koalitionspartner zur Regierungsbildung nämlich, als „schachern“.
Wer normales politisches Handeln diskreditiert, indem er verzerrt darstellt, obwohl eine wahrheitsgemäße Berichterstattung Maßstab journalistischen Handels wäre – noch zumal offenkundig nur um der Leserschaft zu gefallen, und also aus niederem Beweggrund, muss sich fragen ob er Qualitätsjournalismus betreibt oder Fragen gefallen lassen wie es um die Unabhängigkeit der Presse bestellt ist.
- Saarland-Grüne läuten politischen Herbst ein, Saarland-Grüne Mehrstimmigkeit [↩]
- „in Abwägung gewinnsüchtiger Interessen sowie dem kleinlichen, hartnäckigen Streben nach dem größtmöglichen Vorteil, Preise beziehungsweise geschäftliche Abmachungen unlauter vereinbaren“; Wikitionary [↩]