"Papiere, … bitte."
Als ich am Wochenende aus der Luft gegriffen hatte, das ich einmal im Quartal einer Verdacht-unabhängigen Personalausweiskontrolle zum Opfer falle, war die Erinnerung an die letzte Ansprache noch frisch. Nachdem ich an einem Sonntagabend meine Frau zum Bahnhof geleitet und mich danach auf dem Bahnhofsvorplatz niedergelassen hatte, standen plötzlich zwei Schwarzuniformierte vor mir. Die freundlichere Formel „Bitte.“, die auf das „Papiere …“ folgte war vermutlich der Annahme geschuldet, ich höre über die in die Ohren gestöpselten Kopfhörer irgendwas1. Sichtlich erstaunt das ich unmittelbar antwortete, und mit zwei Handgriffen mit der einen Hand reflexartig meine Mütze ab- und mein Portmonnaie herausnahm. Auf die Frage hin, wonach man denn suche, weshalb sie mich denn ansprechen würden, folgte knapp: »Wir suchen jemand dessen Beschreibung auf sie zutrifft.« Nun, damit beschreiben sie auch schon den einen Teil meiner regelmäßigen Erfahrungen mit den Polizeien des Landes.
Den anderen Teil meiner persönlichen Erfahrung nehme ich als Zuschauer wahr. Dann wenn ich mal am Bahnhof zu viel Zeit habe und aufgrund einschlägiger Vorurteile den inzwischen schwarz gekleideten Bundespolizisten meine Aufmerksamkeit widme, beobachte ich immer das selbe: Während des letzten Bundestagswahlkampfes, anlässlich dessen ein Sturmangriff auf den Bundestag angekündigt war und Polizisten sogar so kleinen Bahnhöfen wie in Gießen mit Maschinengewehren bewaffnet umher liefen um jenes „subjektives Sicherheitsempfinden“ zu gewährleisten von dem man damals sprach, hatte ich das erste Mal wahrgenommen, das sich die dort zuständige Bundespolizei in erster Linie Personen mit augenscheinlich fremder Herkunft annahmen. Ich formuliere das jetzt einmal so freundlich, weil ich auch schon nette Polizisten erlebt habe, weil die meisten Polizisten für die Ideen ihre Dienstherren nichts können und manche Polizisten ja auch Menschen eben der Kategorisierung gehören, die das Bundesinnenministerium so vorgibt.
Dessen ungeachtet sollte aber klar sein: Jeder dem Schattenboxen zugewandte Polizist ist eine offene Flanke des wehrhaften Rechtsstaates. Wenn derzeit geprahlt wird, das sich dreihundert Polizisten der rechtsextremen Terrorzelle widmen, wird vernachlässigt, das es vorher exakt 0 waren, die in die Richtung ermittelten. Und während es nun 300 sein mögen, sind vielleicht ebenso viele für jene repräsentative Aufgaben eingeteilt, an Bahnhöfen, Flughäfen und sonstwo inmitten der verängstigten Wählerschaft der Konservativen scheinbar für Ordnung und Sicherheit zu sorgen. Und es wird auch zukünftig so sein, das dort vor allem Menschen mit Migrationshintergrund oder anderer Hautfarbe per Dekret des Innenministeriums ihre Identifikationsmerkmal hervorkramen müssen.
Es sei denn, es ändert sich was. Doch wie ein Sicherheitsexperte heute den Bundestag verlassend dem Stern verriet: »Wenn ich ein Berater der Rechtsterroristen wäre, würde ich denen sagen: Ihr könnt weitermachen wie bisher. Da passiert nichts.«
- Das hätte ich gern, aber aus unerfindlichen Gründen geht der Ton manches Mal beim Wechsel von einer zur anderen Applikation einfach aus. [↩]