McSozialismus
Gerade Fastfood-Ketten gelten als Inbegriff des Amerikanischen Traum, gelebt als »american way of life« auf den Bildern der ersten Filialen der inzwischen multinationalen Konzerne. Damit der Glauben daran nicht verloren geht, eröffnete man im neuen Jahrtausend in Paris, London und Oberstetten spezielle Fiilialen im museal anmutenden 1960er Jahre Ambiente, natürlich mit eben diesen Zeitzeugen in Schwarzweiß an den Wänden.
Doch an die gute, alte Zeit erinnert meist nur das. Selbst das der Epoche nachempfundene Interieur wirkt etwas abgenutzt längst nicht mehr so authentisch wie zu der Zeit, in der die Burgerbude noch nach Bratenfett roch und Kinder allenfalls einen Cheeseburger und von der großen Pommes etwas abbekamen. Inzwischen werden den Kleinsten auch hier eigene Menüs feil geboten und jede Menge Spielzeug mitgeliefert. Ganze Abenteuerspielplätze konkurieren mit dem spärlichen Gemeinde-eigenen Mobiliar immer rarer gesääter Spielplätze. So wird der Nachwuchs herangeführt und angefüttert. Das wiederum wirkt wie in einem totalitären System, schließlich dient all das Spielzeug, Spielgerät und der Spielplatz selbst letztlich nur der Gewinnmaximierung durch Indoktrinierung der Kundschaft, von klein auf bis dick und rund.
Dort, wo der Neureiche früher seine erste Million hart erspülte, gastiert der vom Tellerwäscher mutierende Millionär später nur noch als Zaungast, vom Parkplatz des angrenzenden Biosupermarktes seines Vertrauens, so die Phantasie vom Habenichts zum Lebemann, so könnte man sie sich sogar hier im Darmstädter Johannesviertel herbei phantasieren, wo die Burgerbraterei von Müllverbrennung und Autohaus, Biosupermarkt und Studentenwohnheim eingerahmt ist. Doch die Realität sieht anders aus. Die Niedriglöhner hinter der Theke haben keine Aussicht auf einen Führungsposten, weder im Konzern noch als Tellerwäscher a.D. irgendwo sonst. Diesen Knochenjob macht niemand längere Zeit, wenn er nicht muss. Wer hingegen muss, muss sich in der spärlichen Freizeit Perspektiven schaffen. Den Chef gibt ein frisch diplomierter Betriebswirtschaftler, von denen die deutsche Hochschullandschaft jedes Jahr zehntausende hervor bringt. Oder Quereinsteiger aus den unterschiedlichsten Segmenten, nur eben nicht der Gastronomie, nicht zuletzt weil die Burgerbuden so viel mit dem Gastgewerbe zu tun haben, wie ihre Angestellten vom amerikanische Traum tagträumen können: Hier läuten Friteuse, Drive Through und Eismaschine um die Wette, wollen entleert, bedient und befüllt werden.
Wer dann nach der letzten Schicht hier raus geht, setzt den Fuss selten vor Mitternacht vor die Türe, und hinterläßt einen Ort der mich nach heutiger Beobachtung eher an Sozialismus erinnert, als den – im wahrsten Wortsinn – Fleisch gewordenen amerikanischen Traum: Die Produktpalette ist höchst monoton, und das seit Jahrzehnten. Du stehst viel zu lang in einer Schlange, und das nur um ganz vorne angekommen festzustellen, was du von hinten schon beobachten konntest, nämlich das die eigene Wahl gerade aus ist und -will man nicht noch länger warten – die Auswahl ziemlich mau ist. Zu guter Letzt rekrutiert sich auch das Führungspersonal eben seltenst aus den Reihen derer, die die Reihen bedienen, sondern aus dem pseudo-elitären Zirkel von Absolventen und ihrer Headhunter. Der Unterschied zum Sozialismus beruht in der weiteren Beobachtung noch auf einem anderen Klischee vom Sozialismus, nämlich der faulen Haut des Einzelnen in der Masse, der hier garantiert keine Chance abzutauchen: Der Druck auf den Angestellten wird zwar nur selten offenbar, aber Jedem hier hinter der Theke ist anzumerken, das sein Traumjob hier nicht in Erfüllung gegangen ist.
Mein letzter Burger ist beinah ein Jahr her, damals zum Frühstück an meinem Geburtstag.
Zwischendrin vermisse ich ehrlich gesagt nichts.
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