Audiovisuelle Rundreise auf Island
Die meisten Menschen hegen Island auf ewig als Reisewunsch, waren vielleicht einmal mit dem Finger auf der Landkarte „auf Island“, haben Bilder gesehen, an einem Diaabend teilgenommen, eine Dokumentation verfolgt. Den Reiz den Island bereits Bilder ausüben kann noch gesteigert werden, man nehme sich zwei Minuten für das folgende Filetstück:
ICELAND wurde von Gunnar Konradsson produziert, einem isländischen Nachwuchstalent (via).
Die isländische Tourismus- und Filmindustrie ist keineswegs der einzige Hoffnungsträger, aber wichtiger Bestandteil zur Gesundung der von der Finanzwirtschaftskrise besonders gebeutelten Volkswirtschaft Island, wichtigster erster Schritt aber war natürlich das Referendum zum längst verabschiedeten ICESAVE-Gesetz: Island erteilte kürzlich Schadenersatz interationaler Anleger eine klares1 »Nein!«. Als erklärter Befürworter weitreichender Basisdemokratie hat mich diese Nachricht natürlich sehr gefreut.
Demnächst verabschiedete das isländische Parlament vermutlich noch ein Gesetzesvorhaben mit drastischen Auswirkungen auf die veröffentlichte Meinung in aller Welt. Der Welt älteste parlamentarische Demokratie wagt dann mehr Demokratie: Gegen Klagenomaden, die sich den Gerichtsstand nach ausgehöhltem Presserecht oder aber der wohlwollenden Rechtsprechung wählen, für weltweit freie Berichterstattung zu Gunsten eines absoluten Informantenschutzes. Eine öffentliche Initiative aus enommierten Juristen, Presserechtssexperten, Wissenschaftler und Vertreter der Medien hat in den vergangenen Monaten die besten Aspekte des weltweiten Presserechts, der Meinungsfreiheit und der Absicherung von Presseorganen zusammengetragen und in einen Gesetzentwurf gegossen. Heraus gekommen ist ein Vorhaben, das gemeinhin als „sicherer Hafen“ bezeichnet wird.
Vor dem Hintergrund das derzeit Scheindiskussion zum „Leistungsschutzrecht“ geführt werden, das investigativen Journalismus finanzierbar machen sollte, und in Anbetracht das die hierfür Streitenden zum investigativen Journalismus nur noch in Glücksfällen oder aus eigenem Interesse beitragen, ist diese Entwicklung besonders interessant: Wer sollte noch für Hofberichterstattung der Mainstream-Medien Geld auszugeben bereit sein, wenn die ungefilterten, durchgesickerten Dokumente jederzeit bei Wikileaks von Island aus verfügbar werden und sich hiesige Blogger auf diese nicht abschaltbare Basis verweisen oder gar direkt von Island aus bloggen können. Damit entstünde ein sicherer Hafen im besten Sinne – nicht so wie in der Vergangenheit üblich im negativen Sinne für Steuer“sünder“ oder Kriminelle auf der Flucht in Ländern ohne Auslieferungsabkommen.
Investigativer Journalismus ist ein in Deutschland im Sterben begriffenes Mettier, nicht zuletzt durch den Ausverkauf der ihn in der Vergangenheit bewerkstelligenden Redaktionen der Tageszeitungen und Wochenmagazine. Letzte Refugien journlistischer Qualität sind Einzelne zur Selbstausbeutung bereite, alte Hasen mit noch älteren Netzwerken und in den kommenden Jahrzehnten zunehmend – ebenso zur Selbstausbeutung bereite – Blogger. Dem gegenüber stehen Rechteinhaber, Strafvervolger, Heuschrecken zum Opfer gefallene Verlage mit Controllern anstatt Chefredakteuren, unbrauchbarer Bürgerboulevardjournalismus und ein beliebig reproduzierbarer Trash-/Commercial-Remix.
Wenn die Finanzkrise jetzt dazu beiträgt, das dieser Entwicklung ein Ende gesetzt wird, indem Island sich eine legitime Perspektive verschafft, als „sicherer Hafen“ für freie Presse, könnten die geprellten Anleger der Welt das Lehrgeld als Investition in eine bessere Welt verbuchen. Immerhin.
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