SPD-Rechte in Hessen proben Aufstand: Dagmar Metzger
Vor der Wahl hatte sich Dagmar Metzger hier viele echte Parteifreunde geschaffen, nach ihrer Gewissensentscheidung mindestens alle Linken und Ypsilanti-Anhänger darunter wieder verloren – Funktionsträger und einzelne Gliederungen forderten ihren sofortigen Rücktritt von allen Ämtern und Mandatsniederlegung, Konsequenzen zu denen Dagmar Metzger nicht bereit war.
Hier in Darmstadt hat sich die Lage seither beruhigt, vermutlich bis zum heutigen »schwarzen Tag für Hessen«: Dagmar Metzger war dieses Mal keine Einzeltäterin mehr, Jürgen Walter, Silke Tesch und Carmen Everts saßen ihr zur Seite, oder sie ihnen, je nach Perspektive. Was das Quartett heute verkündete, wird nicht nur Hessens SPD nachhaltig schaden, sondern verhindert vorerst auch einen politischen Richtungswechsel.
Doch werfen wir zunächst einen Blick zurück.
Frühstart in den Wahlkampf
Neun Monate vor der Wahl begann Dagmar Metzger ihren Wahlkampf. Nach Ober-Ramstadt luden die Naturfreunde zu Bier und Bratwurst, zum 1. Mai, neun Monate vor der Wahl hielt Dagmar Metzger hoch über Ober-Ramstadt beim Naturfreundehaus ihre erste Rede als Direktkandidatin für den Wahlkreis der neben Ober-Ramstadt auch noch Roßdorf, Mühltal und den südlichen Teil Darmstadts umfasst. Die Zeit war reif, im Januar 2008, reif für einen Politikwechsel in Hessen. Die Zeit war um, im Januar 2008, für Karin Wolff, Dagmar Metzgers direkte Kontrahentin im Wahlkreis. Karin Wolff war da längst Tabu für viele Wähler dieses sehr konservativen Wahlkreises, schließlich hatte sie sich Monate zu ihrer Lebensgefährtin bekannt. Den Konservativen mag es da eher gefallen haben, das sich gläubige Christin als Kreationistin geoutet hatte. Inhaltlich kritisierte man die damalige Kultusministerin in vielerlei Hinsicht, insbesondere aber wegen einer nur auf dem Papier und ihrer Phantasie existenten Unterrichtsgarantie plus. Kurzum statt Ministerbonus eine einfache Gegnerin, die sich auch nicht allzu häufig im Wahlkreis blicken lies.
Vorbild: Willy Brandt
Manche Menschen schmücken sich Lorbeeren anderer, manche gleich mit Sympathieträgern selbst in Form von Vorbildern. Mehrmals bekundete Dagmar Metzger im Wahlkampf, Willy Brandt sei ihr politisches Vorbild. Mit einer solchen Identifikations- und Integrationsfigur hat man natürlich gute Karten, im Fall Brandt sogar weit über die Grenzen der Sozialdemokratie hinaus. Warum aber ausgerechnet Brandt, das erklärt sich vielleicht über die Ostpolitik. Vollzieht man allerdings ihre einer ausgewachsenen Juristin würdigen, kausal hergeleitete Legitimation ihrer Beweggründe und verfassungsrechtlicher Bedenken für die „Gewissensentscheidung“ nach und stellt sie ihrem generalstabsmäßigen durchgeführten Wahlkampf gegenüber – mit der Benennung von Willy Brandt zum Vorbild, wachsen wenigstens Indizienbeweise dafür, das da damals nicht alles 100% dem Gewissen und vielleicht auch ein paar Prozentpunkte den eigenen Interessen geschuldet war.
Ministermalus
Anders Dagmar Metzger, deren Durchhaltevermögen vom ersten bis zum letzten Tag von den Genossinnen und Genossen zufrieden zur Kenntnis genommen wurde und auch seine Früchte trug: Karin Wolff wurde mit böser Mine aus ihrem Ministeramt entlassen, nachdem ihr der Ministermalus politischer Verfehlungen eine herbe Niederlage gegenüber dem landespolitischen Neuling Metzger bereitet hatte.
Wahlkrampf
Aufwandsentschädigung war meist ein Schmerzensgeld, viel zu häufig waren die Veranstaltungen nahezu gähnend leer, Genossen einmal nicht mitgezählt. Wenn sich drei Kandidaten und der Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Selbstständigen in Hessen-Süd einer Diskussion um Nachhaltigkeit stellten, kamen trotz zentral gelegenem Veranstaltungsort nicht mehr Genossen als Vertreter der eigenen Partei auf dem Podium saßen. Lud man in weniger zentrale Veranstaltungsorte ein, konnte es sein das Stuhlreihen unbesetzt blieben. Gleich welchen Themas sich Dagmar Metzger annahm, niemand verspürte scheinbar das Bedürfnis seinen Feierabend mit Politik zu verschwenden.
Gewissensentscheidung mit Folgen
Zu mehreren Sitzungen ihres Unterbezirks erschien Dagmar Metzger nach ihrer negativen Wahlentscheidung nicht, und bei ihrer Rückkehr in den heimischen Unterbezirk, den sie zuvor in ihren Stellungnahmen als stützend beschrieben habe, redete nur ihr Ehemann, Mathias Metzger, Sohn des Mitgründers des inzwischen Seeheimer Kreises benannten rechten Flügels der Sozialdemokraten. Wer zu diesem Termin Güllner-Interviews kopiert und mitgebracht hatte, war unklar, jedoch lag die Feststellung des Forsa-Chefs, man habe die hessische SPD zuallererst wegen ihrer Ablehnung gegenüber Die Linke gewählt, überall auf dem Tisch. Knapp sieben Monate später wird Güllner seinen Angriff wiederholen, in einem Interview fordert er als angeblich unabhängiger Parteibeobachter und Chef eines Meinungsforschungsinstituts abermals den Rücktritt von Andrea Ypsilanti.
Hies es vom Geschäftsführer der SPD-Unterbezirks Darmstadt-Stadt er gehe davon aus das gegen Dagmar Metzger ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet werde, scheint es Vorsitzender Wolfgang Glenz bei einer inoffiziellen Rüge in Form einer Pressemitteilung belassen zu wollen. Das ist auch insofern zu erwarten, als das Glenz auch der Name desjenigen Richters ist, in dessen Zuständigkeit das Urteil über Metzger fiele. Glenz ist ebenso Vorsitzender im selben SPD-Ortsverein wie Metzger, dem einzigen Verband der zu jeder Zeit vorbehaltlos hinter der »ehrlichsten Politikerin Deutschlands« stand.
In Darmstadt begann die Karriere der »ehrlichsten Politikerin Deutschlands«, in Darmstadt wird sie wieder enden.. Dort nämlich vollzog die hessische SPD den ersten Parteitag im Anschluss an das Wahldesaster, und von dort war das letzte überregional wahrnehmbare Lebenszeichen von Metzger zu hören, als sie für ihre vom Parteiordnungsverfahren bedrohten Kombatanten Wort ergriff, beim Parteitag der hessischen SPD im hiesigen Kongresszentrum darmstadtium. Benannt nach dem in Darmstadt künstlich produzierten, extrem flüchtigen Element.
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