Atomzahlalter
Wir schreiben das Jahr 2009. Zigtausende Journalisten nagen am Hungertuch und Autoren nicht Bestseller fähiger Werke leben in Armut, gleichzeitig sacken Auflagen von Tages- und Wochenzeitungen immer weiter ab, und die Musikindustrie lebt längst besser durch Abmahnungen von Tauschbörsennutzern als vom ursprünglichen Werk – jedenfalls long tail. Gemeinsam gehen Verlage, Verleger, Autoren und Journalisten jetzt gegen diejenigen zu Feld, die ihre Werke in Auszügen – sogenannten Zitaten – wiedergeben und weiterempfehlen, den sogenannten Blogger, die wiederum in der Regel überhaupt nichts für ihren Einsatz erhalten, als manch netten Kommentar bekommen. Allen voran genannten ist gemein, das sie digitale Produkte abliefern, aufbereiten und darbieten, die in den meisten Fällen anstatt wie in der analogen Welt am Stück in kleinen Häppchen serviert und kassiert werden könnten. Kaum noch jemand will sich in schwierigen Zeiten neuen regelmäßigen Zahlungsverpflichtungen hingeben, vielmehr werden unnötige Ausgaben gespart, ferner sind bei Zeitungen, Magazin und Compilations nur ein Bruchteil für den Konsumenten interessant, einen gewissen Teil zahlt er darum ohne Nutzen. Dabei gab es bereits vor über zwanzig Jahren – kurz nach dem Atomzeitalter – das Atomzahlalter. Innerhalb BTX war das auch einfach, denn beide Vertragspartner standen in jedem Fall fest. Der Annehmende musst seinerzeit nur mit 19 seine Kaufabsicht quittieren, und zahlt den angezeigten Betrag über seine Telefonrechnung. Mit 2 lehnte er ab, und ein rechtsgültiger Vertrag kam nicht zustande. Was im Internet noch fehlt, ist ein Paymentprovider, der die sprichwörtlichen Cent-Beträge einfach abzuwickeln im Stande ist, einfach im Sinn von Usability und Schnittstelle zwischen Anbieter und Paymentprovider gleichermaßen. Wer so ein System anbietet, das noch zudem weltweit akzeptiert wird, eröffnet das Atomzahlalter neu.
Unabhängig von diesem vorab erstellten, automatisch veröffentlichten Beitrag habe ich gestern und heute eine interessante Entdeckung, carta.info rief nämlich zur Diskussionrunde des mir bis dahin etwas abstrakten „Leistungsschutzrechts für Presseerzeugnisse“, für die Befürworter nahm ein „Verhandlungsteilnehmer“ vom Axel Springer Verlag hieran teil. Mal abgesehen davon, das man darin erfährt das Presseerzeugnisse wie »Die Welt 30.000 bis 40.000 freie Autoren« zählt, und „Die Welt“ jeden Tag etwa 200 Artikel zusätzlich zum vollständigen Inhalt der Printausgabe bereitstellt, bleibt nur ein Fazit, nämlich das der Vertreter der Mainstream-Medien hier wohl vorführt wie verengt doch das Wahrnehmungs- und Visionsspektrum der Presse im Netz auch 15 Jahre nach der Kommerzialisierung des Internet einerseits ist, und wie konkret andererseits Feindbild und zugleich Wunschpartner (Suchmaschine Google) sowie das Monetarsierungsmodell (one click-Modell; „weil der Nutzer bei Google News ja schon einen Klick getätigt hat und ansonsten verloren wäre“) ist. Wenn man das so hört, was der werte Vertreter der Holzmedien da so von Premium schwärmt, wenn er bei seinem nicht unwesentlichen Gehalt eine wegen eines Termins verpasste Stromberg-Folge nachholt und zugleich – selbstredend zum doppelten Preis – die Folge der kommenden Woche „vorschaut“, und das dann vom Entertainment-Sektor auf das vom Grundgesetz garantierten Recht auf freie Meinung, auf die sich Presseorgane natürlich bauen, laufen mir kalte Schauer den Rücken hinunter.
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