Die Bahn kommt … unter den Hammer
Gerade bekommt man vorgeführt, was passiert wenn Qualitäts- und Gesinnungsjournalismus kollidieren, wenn nämlich in einer offensichtlich zu hektisch veröffentlichen Gegendarstellung zum Gerücht über den Ausverkauf der Deutschen Bundesbahn gleich im ersten Satz im Teaser noch zu lesen ist »Union und FDP sind Kreisen ! zufolge gegen eine Bahn-Privatisierung in dieser Wahlperiode.«
Den ganzen Freitagabend zuvor kursierte die Nachricht, das von der Bahn nur noch ein paar Kraftwerke, das Schienennetz und einige wenige verbliebene Bahnhöfe als Rumpf übrig bleiben werden. Dem deutlich differenzierteren Bericht der Nachrichtenagentur Reuters zur Folge plant SchwarzGelb nahezu einen Totalausverkauf bei der Bahn, denn was als entschärfend kommuniziert wird – nämlich das »Netz, Bahnhöfe und Energiesparte« Staatseigentum bleiben sollen – offenbart das sich CDU/CSU und FDP in ihren Gesprächen darauf geeinigt haben, zum »geeigneten Zeitpunkt (…) schrittweise, ertragsoptimierte Teilprivatisierung« anzugehen – und zwar nicht nur in der im Papier erwähnten »Transport- und Logistiksparte«. Denn mit jener Formulierung steht einem Verkauf ohnehin in Subunternehmen ausgelagerten, aufgespaltenem und Personal-intensivem Fern- und Nahverkehr, bei Catering und im Kundendienst, und nicht zuletzt bei den technischen Diensten kein sperriger Koalitionsvertrag im Wege.
Gerade aber der höchst profitable Fernverkehr, der durch Neubaustrecken vom Staat auch in den kommenden fünfzig bis hundert Jahren indirekt subventioniert wird, spült fast alleinig Geld in die Bilanz des ehemaligen Monopolisten. Gerade der Nahverkehr wäre ohne direkte Subventionen pro Fahrgast undenkbar – vor allem teuer, und würde noch mehr Fahrgäste um Mobilität berauben oder dem ineffizienten-unökologischen Individualverkehr aufnötigen. Gerade im Catering und Kundendienst verzichtete die Bahn zuletzt ohnehin auf immer mehr Personal, sodass in Zügen kaum noch ein vernünftiger Service gewährleistet ist, in Bahnhöfen Tickets nur mit erheblichen Wartezeiten oder vom Automaten zu beziehen sind, und der hoffnungslose Versuch am Bahnsteig oder Bahnhofshalle eine Auskunft zu erhalten manchmal einem sportlichen Wettkampf ähnelt.
Wenn sich, wie im Flugverkehr bereits am Boden und in der Luft üblich, eine Menge privater Dienstleister in einer Konkurrenzsituation um „Stellwerke“ kümmert und zugleich die Wartung des „rollenden Materials“ dem internationalen Wettbewerb überlassen wird, wird sich die bis ins kommenden Jahr andauernden Katastrophe im Berliner S-Bahn-Verkehr auf den Schienen in ganz Deutschland wiederholen. Stillgelegte weil schlecht gewartete Züge, schwere Unfälle in Folge unkoordinierter Teilnetze, und in unschöner Regelmäßigkeit auch mal Unfälle wie die in Eschede. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird dem Eisenbahnbundesamt kein zusätzliches Personal zugesprochen werden, hieran wird schlicht kein Geld – auch keines aus den Erlösen der Bahn – vorgesehen. Doch nur das Bundesamt konnte im privat gewarteten Fuhrpark der Berliner S-Bahn Mängel aufdecken und schlimmer Unfälle verhindern.
Noch viel steiler werden sich übrigens dem Steuerzahler die Nackenhaare aller aufstellen, wenn der bedenkt in welcher Situation der Verkauf seines Unternehmens geschieht: Genau so sicher wie der Verkauf der Bahn an anonyme Finanzhaie inmitten einer internationalen Wirtschaftskrise wird der Rückkauf den Staatshaushalt nach deren Ende wieder belasten, denn SchwarzGelb dürfte bekannt sein, was nach der Pleite der privatisierten Bahn in Groß Britannien passiert: Nach Jahre langer Misswirtschaft zog sich dort der Dienstleister mit seinen Gewinnen aus der Affäre, und hinterließ Staat und Steuerzahler ein marodes Netz, schrottreifen Fuhrpark und massiv ausgedünntes Personal. Geschichte wiederholt sich eben. SchwarzGelb wird dafür nicht mehr die Verantwortung übernehmen können, wenn sie ihr Vorhaben denn überhaupt durchziehen und es nicht bei der Drohung an den hiesigen Souverän, Steuerzahler und nicht zuletzt die Kunden der Bahn allein bleibt. SchwarzGelb würde wieder mal nur abwirtschaften, und die Nachfolgeregierung aufräumen müssen. Da kann man nur inständig hoffen, das diese Pläne feuchte Träume bleiben.
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