webcramp09, die Selbstkritik-freie Zone im Web 2.0
Schmidt nimmt im Urlaub repräsentative Termine wahr und läßt dafür ihren Dienstwagen heranführen, Scholz zahlt „Hungerlöhne“ an Praktikanten und „rote Heidi“ schnauzt engste Mitarbeiter an: Mit zum Teil diffamierende Tweets hantieren christdemokratische Wahlkampfhelfershelfer an den SPD-Ministern herum, in Hochzeiten mit dutzenden Beiträgen Einzelner und hunderten Beiträgen aller Kombatanten wird mit Hochdruck Dreck geworfen. Wenn es um Kleinigkeiten geht, sind die Konservativen und ihre Wasserträger im Web 2.0 ganz groß.
Doch wenn das Versagen in den eigenen Reihen offenkundig wird, wie beispielsweise im Fall der Luftangriffe bei Kundus in Afghanistan, wird es verdächtig ruhig an den Eingabegeräten. Während im Verteidigungsministerium nach widersprüchlichen Veröffentlichungen eine Art Nachrichtensperre verhängt wurde, ist auch vom Verteidigungsminister kein Wort mehr zu hören. Zu erheblich scheint es, ist der Schaden den die Deutschen in der Nähe von Kundus unter der Zivilbevölkerung angerichtet haben. Jung überlässt das Wort lieber (oder besser) der Frau an der Spitze seiner Partei, für deren Lokalpatron und Busenfreund Roland Koch er im Kabinett sitzt.
Merkel spricht morgen, gibt eine Regierungserklärung ab. Warum sie dafür heute, am vierten Tag nach den Einschlägen der Bomben in zwei Tanklaster, keine Zeit hatte, erklärt sich vielleicht aus dem jüngsten Tweet eines herausragenden Mitglieds der Jungen Union:
Vom zurückhaltenden Auftreten seiner Vorsitzenden in Sachen Kundus, von den widersprüchlichen Meldungen des Bundesministers und des Bundesministeriums der Verteidigung kein Wort bislang. Da werden die Follower begrüßt, der Wahlkampfauftakt abgefeiert, das „Interview mit Angie in der neuen #ADAC Motorwelt“ gelobt, dem viel umjubelte von und zu Guttenberg Respekt gezollt.
Doch von den Versäumnissen und Fehlern der Bundeswehr oder den widersprüchlichen Äusserungen des Jung-Ministeriums liest man keine Sterbenswörtchen.
Selbstkritik ist in der heißen Wahlkampfphase vielleicht etwas zu viel verlangt, aber wenn die Kanzlerin nicht als Kriegskanzlerin und der Verteidigungs- nicht als Kriegsminister in die Geschichte eingehen will, und CDU/CSU nicht jeden Funken Anstand verloren hat, und ihre verblichene Kompetenz in Sachen innerer und äusserer Sicherheit nicht völlig getilgt sehen möchte, wäre ihr angeraten aus dem Desaster schnell, sehr schnell zu lernen. Der fehlende Respekt gegenüber den Opfern, die Ehrlichkeit von Krieg anstatt von einem Polizeieinsatz zu fabulieren gegenüber den gefährdeten Soldaten, und die Transparenz einer ehrlichen Zustandsbeschreibung und Strategie für den »failed state« Afghanistan letztlich für die Wählerinnen und Wähler. Ob man so viel Fairness erwarten darf, von Merkel und Jung?
Tja, und den Helfershelfern ist ohnehin nicht mehr zu helfen.
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