Gepflegt Grillen in Winnenden

Scheiße Bernd, es reicht mir, ich habe dieses Lotterleben satt, immer dasselbe – alle lachen mich aus, niemand erkennt mein Potenzial. Ich meine es ernst Bernd – ich habe Waffen hier, und ich werde morgen früh an meine frühere Schule gehen und mal so richtig gepflegt grillen. Vielleicht komme ich ja auch davon. Haltet die Ohren offen. Bernd, ihr werdet morgen von mir hören. Merkt Euch nur den Name des Orts Winnenden. Und jetzt keine Meldung an die Polizei, keine Angst, ich trolle nur.

Mitten in der Nacht soll Tim K. diese Zeilen in einem Chat abgesetzt haben, jedenfalls laut Heribert Rech, Innenminister von Baden-Württemberg, der diesen Beitrag vor laufenden Kameras beispielsweise der tagesschau vorlas. Wovon Heribert Rech offenbar nichts wusste: Nicht alles was man auf einer Fernsehzeitschrift zu sehen bekommt, gibt es in Wirklichkeit. Wie auf den Titelseiten schlug auch bei dieser Meldung Photoshop zu, und der von zahlreichen Medien wiedergekäute Bullshit nahm seinen Lauf.

Bis zur Stunde melden die Nachrichtenagentur Reuters, die Nachrichtensendungen heute und tagesschau, Die Zeit, Focus, Die Welt, DerWesten, Rhein Zeitung, Berliner Morgenpost von der Ente.

Makaber hierüber hinaus: tagesschau lud zugeleich zum Chat, und zwar Thüringens Innenminister Gasser, und der stellt sogleich eine ganz konkrete Forderung: »Es muss zunächst einmal eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden.« Natürlich ist von sogenannten Killerspielen die Rede, und genaue Vorstellungen, wo denn das Verbot zu verankern sei hatte er auch dabei: »Da gibt es mehrere Möglichkeiten: Entweder man schafft diese im Strafgesetzbuch – die Innenminister hatten daran gedacht, einen Paragraphen 131a einzufügen. Es würde aber auch die Möglichkeit bestehen, im Jugendschutzgesetz eine Ergänzung vorzunehmen, die dann zu einer Indizierung solcher Spiele führen würde.« Gut vorbereitet, Herr Gasser.

Herr Gasser überholt dabei die Realität. Ganz abgesehen von der Möglichkeit sich fernab herkömmlicher Zahlungssysteme kann sich jeder halbwegs Begabte auf dem globalen Markt mit dem Gewünschten versorgen, ohne vor die Türe zu müssen: Jüngst startete die nächste Generation Egoshooter als Browsergame. Exzellente Gelegenheit die Internetfilter wieder auf die Tagesordnung zu setzen, wie ich finde.

Obwohl selbst der zitierte Dienstanbieter krautchan.net aufgrund des durch die Berichterstattung ausgelösten Andrangs auf sein Angebot inzwischen kapituliert: zu folgender abwehrenden Richtigstellung läßt er sich auf seiner Website hinreißen:

Qualitätsjournalismus

Leider wird unser winziger Server mit dem momentanen Ansturm nicht fertig. Es gibt allerdings auch gar nichts zu sehen, da die deutsche Presse sich bedauerlicherweise (vermutlich nicht zum ersten Mal) von einer Fälschung hat täuschen lassen. Hier wurde kein Amoklauf angekündigt, es gibt hier nur Leute, die mit Photoshop umgehen können. Scheinbar ist recherchieren heutzutage uncool. Schlimm genug, bei Wikipedia abzuschreiben, aber hier? Grundgütiger. Was man übrigens auf dem PC des Täters gefunden haben will, wissen wir nicht. Vielleicht hat er die Site mal besucht, den durch die Presse gegangenen Beitrag hat er jedenfalls nicht verfasst, denn der hat nie existiert. (…) Wie dem auch sei, wir sind offline, bis der Traffic sich normalisiert hat.

Während die Falschmeldung noch im Internet kursiert legt Bild inzwischen nach, auf deren Website ist inzwischen ein offensichtlich per Handycam aufgezeichnetes Video abzurufen – auf dessen Betrachtung und Verlinkung ich an dieser Stelle gerne verzichte.

Zugegeben, ich bin selbst darauf reingefallen, als ich den Text zum ersten Mal zu Gesicht bekam, dennoch ist Qualitätsjournalismus zumindest einer, der eine Recherche voraussetzt. Polizeiarbeit mindestens ebenso. Von der Qualität der hieraus hervorgegangenen Pressekonferenz des Innenministers von Baden-Württemberg einmal ganz zu schweigen.

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