Krisenregion Finanzwirtschaft
Warum erinnert mich nur all das was dieser Tage in jener virtuellen Finanzwelt passiert so sehr an realen Krisenherde? Wenn aggiert wird, stets reagiert: Angriffe auf symbolische Orte inmitten der USA werden mit Bombadierungen und »regime change« quittiert, real zusammenbrechende Märkte und Marken bekommen für ein im Gegenzug für ein auf 40.000 Euro beschränktes Monatsgehalt riesige Bürgschaften zugesichert. Wenn Verantwortliche identifiziert werden, finden sich böse Jungs in den seltensten Fällen in den Reihen eigener Leistungsträger: Briefkastenfirmen auf den Cayman Islands oder Osama Bin Laden ohne Anschrift im Nirgendwo.
Dabei sind die Trottel unter uns, gerade Hessen kennt nicht nur Casinos in Wiesbaden und Bad Homburg, sondern auch den Finanzplatz Frankfurt am Main. Deren Zwillingstürme werden gerade symbolträchtig saniert, weshalb draussen Baukräne dranstehen und drin niemand mehr arbeitet.
Parteien jeglicher politischer Coleur wühlen einträchtig in einer von ihnen lange Zeit verschmähte Mottenkiste, Verfechter totaler Deregulierung zaubern, kaum aus ihren feuchten, neoliberalen Träumen erwacht, geschwind entstaubte Schreckgespenster hervor: Privatisierungsstopp bei der Bahn ist plötzlich kein Thema mehr, Verstaatlichung bedrohter Unternehmen hingegen an der Tagesordnung. Unterbindung kurzfristiger Gewinnmitnahmen mit exorbitanten Margen, beschränkte Managerhälter, solche Vorschläge bei der wirtschaftshörigen FDP bislang eher in Form von Schreckgespenstern eingeordnet dürfte demnächst in deren Grundsatzprogramm zu finden sein. Wer noch vor Wochen laut geglaubt hätte, das selbst freie Liberale plötzlich im Kanon starken Staat und öffentliche Hand gemeinsam mit jenen lobpreisen, denen sie ansonsten unterstellen den freien Markt in sozialistische Planwirtschaft wandeln zu wollen, der wäre für verrückt erklärt worden.
Keine Rede von kurzer Leine, schließlich hat man noch die Klagen über regulierte Märkte in den Ohren, Klagelieder über sich nicht frei entfalten könnende Märkte und Marken: Wenn allerdings Vergesellschaftung von unternehmerischem Risiko damit gemeint sein soll, kann das angesichts staatlich verordneter Zwangsarbeit unter zeitgemäßem Label Fördern und Fordern niemand mehr vermitteln. Warum schwer Vermittelbare dem Staat 1 Euro wert sind, Versager in der Wirtschaft mit einem müden Lächeln 500.000.000.000 Euro rübergeschoben bekommen, wird schwer Vermittelbaren schwer vermittelbar sein. Wenn wir nicht aufhören Schlipps- mit Leistungsträgern zu verwechseln, wenn wir nicht Jobs schaffen statt immer mehr virtueller Produkte, wenn die Scheere immer weiter auseinander geht, haben Populisten und Extremisten früher oder später leichtes Spiel.
Wer bei klarem Verstand ist, holt sich in so einer Situation eher Rat bei jemand der die Katastrophe vorhersah und warnte, statt ihren Verursachern abermals Verantwortung über Milliarden zu verleihen. Genau das aber diesen Fehler beging Kanzlerin Merkel sehenden Auges.
Kein Wunder: Volkswirtschaftlich gesehen wäre der Verlust der Automobilindustrie eine Katastrophe, schließlich klebt ‚Made in Germany‘ zu einem Gutteil auf dieser ein Jahrhundert alten Erfindungen. Nicht das an Erfindungen, Innovationen und Patenten, hierzulande Mangel herrsche, meistens jedoch werden uralte Errungenschaften einfach nur verfeinert, was kaum steigernden Effekt für unseren Export verspricht. Große Würfe sind selten geworden und kommen eher aus Fernost als dem alten Europa.
Kein Vorteil zu gering, kein Einsatz zu hoch scheint das Motto zur Bekämpfung der Finanzkrise, bestes Beispiel momentan: die Abwrackprämie. Während ein Schutzschirm über die Arbeitsplätze der hiesigen Automobilindustrie gespannt wird, wird beim Abverkauf beliebiger internationaler Automarken zugeschossen. Jeder Euro, der zum Schutz veralteter Technologie versenkt wird, ist aber einer, der uns beispielsweise in der Bildung fehlen wird. Nur dadurch aber werden wir aus dem Dilemma sinkender Exporte bei stagnierender oder rückläufiger Binnenkonjunktur heraus kommen.
Meine Bitte daher an die Verantwortlichen: Augenmaß in der Krisenregion Finanzkrise, Augenmerk auf unsere Bildung!
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