Rechts und Ordnung: Hilfssherrifs im wilden Osten
55 Minuten vergingen zwischen Notruf und erstem Handschlag des Kriminaltechnikers am Tatort, einem Kieswerk in Bad Liebenwerda, Brandenburg: Der Kriminaltechniker kann nur noch Spuren sichern kann, Spuren vermutlich nur noch als Altmetall verkäuflicher Kupferdrähte, die diesen schwimmenden Bagger mit Strom versorgten:
Rund um jenen Bagger, die Kiesgrube und allem Werthaltigen droht jetzt die NPD zu kreisen. Deren Mitglieder nämlich lädt der findige Unternehmer ab kommender Woche auf sein Grundstück und erteilt ihnen Hausrecht. Weil ihm insgesamt 150.000 Euro Schaden allein in den letzten sechs Monaten entstanden seien, sieht er sich dazu genötigt, elf der zwölf Angestellten sofort fristlos zu entlassen. Der verbleibende Mitarbeiter teilt seinen 13 Hektar umfassenden Arbeitsplatz also ab kommender Woche mit einer nicht näher genannten Zahl NPD-Mitgliedern, weshalb man sich in einschlägigen Medien bereits über die Gründung einer Bürgerwehr ergeifert.
Dieses Szenario vor Augen hat der Bürgermeister der ein paar Hundert Seelen zählenden Gemeinde bereits häufigeren Besuch von Streifenbeamten vor Ort in Aussicht gestellt, zudem sähe er Gesprächsbedarf mit »Polizei und Gerichtsbarkeit«. Ob jenes reflexartige Handeln angesichts medienwirksamer Drohgebärden Einsicht beim Betroffenen hervorruft ist offen. Offen ist auch, ob er sich jener neu gewonnenen, ehrenamtlichen Helfern anschließend wieder entledigen möchte, wenn von der Allgemeinheit bezahlte Ordnungshüter seinen hohen Ansprüchen gerecht würden.
Sicher ist nur, dass der Ruf nach härteren Gesetzen so alt ist wie der nach stärkerer Polizeipräsenz, so alt und wirkungslos, bisweilen sogar kontraproduktiv. Somit wird seitens des Bürgermeisters wieder einmal nur die Wirkung bekämpft ohne den Ursachen nachzugehen. Wenn Diebe mit ergaunerten Altkupferi mehr verdienen als mit ehrlicher Arbeit, sodass daraus ein Schaden entsteht für den jede Woche ein fast voll mit Schrott beladener 3,5 Tonner das Kieswerk verlassen müsste, wäre es doch mal Zeit für ein Brainstorming.
Natürlich darf sich auch dortige Regionalpresse als Verstärker ansonsten im Grundrauschen untergehenden Aktionismus schuldig fühlen, daraus eine viele Bildschirme füllende Geschichte aufzupumpen ist nicht nur lächerlich, sondern erlaubt Rechts sich einmal mehr als Problemlöser zu verstehen.
Reparaturkosten in Höhe von 150000 Euro einerseits in Kauf zu nehmen, andererseits offensichtlich auf technischen Gegenmaßnahmeni zu verzichten, klingt, wie die Drohung an sich, eher nach einer Verzweiflungstat. Überdies hätte der Unternehmer mit dem Geld für 8 Euro Bruttoi bis zur Schadenhöhe 18750 Arbeitsstunden und somit 781 Manntage eines Sicherheitsdienstes in Auftrag geben und damit rund um die Uhr sein Werk absichern können. Alternativ bezogen auf den Zeitraum, in dem der Schaden entstand, nämlich einem halben Jahr, hätte er sogar vier Wachleute gleichzeitig patrouillieren lassen können. Wohlgemerkt, ohne nebenbei Leute entlassen zu müssen.