TheEuropean über den „neuen“ Cicero

Die Behauptung Michael Naumann veranlasse beim Cicero einen Linksruck ist gewagt, und zeugt entweder von Unwissenheit der Medienlandschaft und der Personalie Naumann, oder ist eine wohlkalkulierte Verzweifelungstat des flüggen TheEuropean, in der Hoffnung bei jüngeren Leuten mit ähnlichem Habitus einen Fuss in die Tür zu bekommen. Die merkwürdige exzentrische Mischung deren Redaktion hat mich früh aufhorchen lassen. Von der Frankfurter Rundschau, Süddeutscher Zeitung und Zeit enttäuscht, irgendwo zwischen Freitag und taz verloren, war ich auf der Suche nach einem neuen Wochenmagazin – weil man für Tageszeitungen heute keine Zeit mehr hat und sie per se schrecklich überholt sind wenn sie aus der Druckerpresse kommen; und weil es keine richtigen Wochenmagazine mehr gibt, deren Kauf lohnt. Insofern bin ich immer noch auf der Suche nach dem Nischenprodukt und habe auch TheEuropean eine Chance gegeben. Durch eben jene verzerrende Darstellung, „Cicero erleide unter Naumann einen Linksruck“ war die Chance aber beinah wieder vergeben, durch die Klarstellung des persönlich Betroffenen, des Verfassers am Fuss der Schmähschrift aus der Intimsphäre des Cicero, in der der Autor einst mitarbeitete habe ich das als persönliche Animosität verbucht. Endgültig versagt hatte TheEuropean bei mir dann aber, als ich neben dem Artikel noch folgende Propaganda fand …

Julia gegen Goliath

Wie es um die Meinungsvielfalt bei TheEuropean bestellt ist, kann ich nicht abschliessend beurteilen. Aber jenseits des abschätzigen Blickes nach Links finden sich ziemlich viele belanglose Dossiers und immer wieder alte Bekannte. Woraus speist sich TheEuropean sonst so, wenn man nicht gerade den vermeintlichen Linksruck besingt: Gerade als ich vorbeiklicke verzierte die Sidebar ein Thema über dessen Präsenz in den Massenmedien ich mich seit Monaten wundere. Ganz vornean, „above the fold“ lunzt die junge Frau über einen Teaser zu Google Streetview hinweg.

Das Gesicht unter der Topffrisur kam mir gleich irgendwie bekannt vor, und sieh an: Treffer, versenkt. Frau Klöckner ist Staatssekretärin unter Ilse Aigner und im kommenden Jahr Spitzenkandidatin der CDU im Nachbarland Rheinland-Pfalz. In einer denkbar schlechten Situation, aus der Bundesregierung gegen eine erfolgreiche Landesregierung anzutreten ist ohne Frage ein hoffnungsloses Unterfangen. Daher scheint sich die junge Staatssekretärin jetzt am Lieblingsthema ihrer Chefin abzuarbeiten.

Das Thema, das offensichtlich für die Bevölkerung keines ist, ist Lieblingsthema ausgerechnet von Ilse Aigner, den Christsozialen und der Christdemokratie an sich. Also genau jener Partei die mit ihrem Innenminister a.D. Wolfgang Schäuble den Rekord in Sachen verfassungswidriger Gesetze und allgegenwärtiger Überwachung geschaffen hat. Illegale Videoüberwachung, Übertragung von Flugpassagierdaten an befreundete Staaten, Bundestrojaner, Vorratsdatenspeicherung, ELENA, um nur ein paar Stichworte zu nennen, sind auf dem Mist der CDU gewachsen und von ihr gegen jeden öffentlichen Widerstand durchgesetzt, und bekommt hier ein Forum, um sich über Google auslassen. «Die Kameras des Suchmaschinengiganten blicken ungefragt in die Gärten ihrer rheinland-pfälzischen Heimat.« schreibt Klöckner da ganz heimatverbunden, und man mag meinen Google sei durch den Vorgarten vor Julia Klöckners Wahlkreisbüro bei Google Maps mit deutlich verschwommenem, älteren Kartenmaterial hinterlegt gefahren, als sie gerade in Schlabberhose ihre Bild am Sonntag aus dem Briefkasten holte. Derlei Bildmaterial muss natürlich verschwinden, oder unkenntlich gemacht werden, nicht nur aus Google Maps, keine Frage. Dreist ist es jedoch, als die Partei die den allgegenwärtigen Überwachungsapparat in Echtzeit zu verantworten hat, ein noch dazu undatiertes, anonymisiertes und unkenntlich gemachtes Standbild anzuprangern. Was für eine Scheiße ist das, die muss nach Rosen duften wenn TheEuropean diese Propaganda auf ihrem Silbertablett als Filetstück serviert.

Was sich Frau Klöckner, Ilse Aigner und die CDU aber hier anmaßt, und als einzigen Posten auf der Aktiva-Seite ihrer Arbeit zu verbuchen haben, ist doch völlig widersinnig. Wer das durch unkritische Berichterstattung unterstützt hat es verdient, das er überflüssig bleibt von der Bildfläche verschwindet. Das hat mit Debatte nichts zu tun, wenn nicht einmal die Redaktion sich zu einer Gegendarstellung der Form wie hier bei mir hinreißen läßt, gerade wenn so eklatante Differenzen zwischen der Position der Regierung – vertreten durch die Ministerin, ihr Ministerium und hier in der Position ihrer Staatssekretärin – und der Realität bestehen.

Technik, Layout, Struktur

The European sucht man vergeblich unter .eu, das deutschsprachige Magazin mit dem pseudointellektuelen Anspruch hat die Domain TheEuropean zwar registriert, leitet aber hinter den Tellerrand zu TheEuropean.de zurück. Was für ein Quatch, was für ein Signal, sinnbildlich für das konservative understatement der Konservativen im Internet. Fernab der Marke und des Selbstverständnis gibt es noch viel mehr zu erzählen.

Allein der Feed gibt als Kristalisationspunkt meiner Kritik genug her, um sich länger aufzuregen als mein Organismus Magensäure hergibt, und zwar aus vielerlei Gründen: 1. weil der Feed nicht im Volltext serviert wird, 2. weil der Feed offensichtlich nur jenen Teil der Berichterstattung ausliefert, den das Magazin für ihre Headliner hält, 3. weil dem Feed ein Link auf den jeweiligen Artikel fehlt – jetzt ohne Witz!

Über das Layout wollte ich gar kein Wort verlieren, aber dazu gibt es zu viel her. Was nicht bei fünf auf den Bäumen ist, bekommt einen Schlagschatten verpasst. Erinnert mich an ein Zitat: „Hat der Designer gar nichts drauf, macht er einen Farbverlauf.“ Die zeitgemäße Variante des eintönigen Farbverlauf ist das übermäßige Angebot von Schlagschatten. Und es ist ja nicht so, das da genug wäre das einen Schatten werfen könnte. Das Layout ist – freundlich umschrieben – konservativ, eben wie das Blatt an sich.

Die zu Anfang erwähnten Gastautoren sind am Fuss der Artikel verfasst, und der Block aus drei sichtbaren Portraits mit einem Pfeil linker wie rechter Hand versehen. Dem Normalsterblichen suggiert das, er kommt über die drei Bilder und Autoren hinaus. Klickt man jedoch auf die Pfeile, landet man einfach nur beim linken oder rechten Verfasser.

Fazit

Die Zielgruppe nach der TheEuropean da zu angeln versucht liest offline, und zwar Qualitätsjournalismus. Den findet sie von Zeit zu Zeit bei der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung oder Die Zeit, und nicht zwischen Parteipräferenzen und Selbstdarstellungen mehr oder weniger populärer Politiker gleich welcher Lager.

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