Saarland-Grüne Mehrstimmigkeit
Im Jahr 2006 erhob die saarländische Europaabgeordnete der Grünen, Hiltrud Breyer, hinsichtlich der Mitgliederstruktur ihres Landesverbandes schwere Vorwürfe. In der taz warf Breyer im August 2006 dem saarländische Grünen-Chef Hubert Ulrich "mangelnde Transparenz" und "fehlenden Aufklärungswillen" vor, er solle sogar Mitgliederzahlen manipuliert haben.
Nur einen Monat später lag eine eine veränderte Satzung vor – nach 25 Jahren. Vom politischen Geschäftsführer Markus Tressel in einer außergewöhnlich detaillierten Presseerklärung erläutert, war die Satzungsänderung im »Kern der Satzungsreform« eine »Präzisierung und Klarstellung insbesondere in Fragen der Mitgliederführung und des Beitragseinzuges«.
Präzisiert wurde dann in der Presseerklärung selbst, inwiefern sich Änderungen für die Mitgliederverwaltung und die Beitragszahlung ergäben: Mitgliedsbeiträge würden fortan vom Landesverband zentral eingezogen, der damit in die Lage versetzt sei »die Finanzströme innerhalb der Partei umfassend zu kontrollieren«. Beitragsrückstände können vom Landesverband erkannt und entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden.
Inwiefern tatsächlich davon Gebrauch gemacht wird, und ob damit dem Parteiengesetz genüge getan wird, wird niemand nachprüfen.
Dabei versprechen Stichproben erschreckendes: Mitglieder aus den fragwürdigen Regionalverbänden seien längst keine mehr, andere seien nie bewusst Mitglied der Grünen gewesen, publizierte unlängst die taz.
Viel weitgehender noch ist die Behauptung, Mitgliederbeiträge würden vom politischen Klassenfeind in Form des Arbeitgebers und künftigen Koalitionspartners, einem millionenschweren Geschäftsmann und grauer Eminenz der Saar-FDP getragen, nur um zu gewährleisten das die Mehrheitsverhältnisse werden und bleiben wie sie sind.
Weitergehender deshalb, weil Rechenschaftsberichte auf nackte Zahlen reduziert sind, in denen als Mitgliedsbeiträge getarnte Parteispenden nicht nur bis zur Unkenntlichkeit gesplittet werden könnten, sondern nicht einmal mehr nachgewiesen werden muss von wem sie kommen. Rechenschaftsberichte weisen Spender aus, Mitglieder hingegen nicht.
Wie viele der insgesamt 47.528 Mitglieder bundesweit1 aus dem Saarland stammen, war von mir nicht in Erfahrung zu bringen, aber einzelne Ortsverbände sollen höhere Mitgliederzahlen aufweisen als es Grünen in ihren Hochburgen jemals verzeichneten.
Bezeichnend empfand ich die Reaktion auf meine Rechercheanfrage, nämlich kein. Aufgerüttelt von einem Beitrag der taz verfasste ich folgende E-Mail an die im Impressum genannte E-Mail Adresse:
Berichten ist zu entnehmen, das die Mehrzahl der den Beschluss verabschiedenen Delegierten der Gliederung/Kreisverband Ihrer Partei entstammen, aus denen der Vorsitzende stammt. Trifft dies zu?
Weiterhin heißt es in einem etwas älteren Presseartikel "Saarlouis mit … 38.000 Einwohnern verfügt die Partei angeblich über 600 bis 800 Mitglieder, das wären deutlich mehr als etwa in der Großstadt und Grünen-Hochburg Frankfurt am Main. Der Ortsverband Homburg meldete zuletzt 220 Mitglieder an die Landesgeschäftsstelle." (Quelle: taz). Sind diese hohen Mitgliederzahlen nach drei Jahren noch annähernd auf dem damaligen Niveau, wenn nein wie kommt es zur Ab-/Zunahme, wenn ja, wie erklären Sie sich diese exorbitanten Mitgliederzahlen für ihre Partei. Die geäußerten Vorwürfe sind in Verbindung mit dem erwähnten, ausgebliebenen Finanzbericht gegenüber dem Parteitag von Bedeutung, denn: Im Zusammenhang mit besagten Delegierten wird behauptet, ein nicht näher benannter Teil sei mit ihren Mitgliedsbeiträgen rückständig. Nach ParteienG, § 10 (2), kann Mitgliedern, die ihren Beitragspflichten nicht nachkommen, ihr Stimmrecht entzogen werden. Hierzu meine Frage: Wir hiervon in Ihrer Satzung Gebrauch gemacht, und wenn nein, warum nicht? Leider bin ich bei meinen Recherchen nur auf die Satzung eine Ihrer Gliederungen gestoßen, und würde mich daher freuen, wenn Sie mir die Satzung ihres Landesverbandes übermitteln oder gleich über ihre Website publizieren würden.
Wie erwähnt, war die Reaktion keine. Nicht einmal ein Standardbrief, mit dem man auf die erwähnten Vorwürfe reagiert, zeugt von einem zweifelhaften Verständnis von Dienst am ehemaligen Wähler, Transparenz und Demokratie.
Mal sehen, ob sich die Saar-Grünen noch zu einer Stellungnahme hinreißen lassen, ich werde berichten.
Update: Der Spiegel berichtete vor gut zehn Jahren bereits von den unsauberen Mitgliederzahlen im saarländischen Landesverband von Bündnis 90/Die Grünen.
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