Klaus Staeck zum Zustand der SPD
„Die eigenen Mitglieder haben uns nicht mehr geglaubt.“ Früher hätten sich die Genossen umeinander gekümmert, doch diese „gelebte Solidarität“ gebe es kaum noch in der Partei. „Am Ende störte die Basis nur noch beim Regieren“, kritisierte Staeck.
Wahrscheinlich mit die wahrsten Worte zum Zustand der SPD in diesen Tagen nach dem historisch schlechten Wahlergebnis. Ich kann aus zweiter Hand aus dem Landesverband Hessen, dem Bezirk Hessen-Süd, aus erster Hand vom Unterbezirk Darmstadt-Stadt und speziell aus unserem >Ortsverein Martinsviertel-Johannesviertel berichten, von wo mir in meiner vierjährigen Mitgliedschaft selten gelebte Solidarität berichtet wurde oder ich selbst erfahren habe, sondern meist das genaue Gegenteil: In dieser Zeit erlebte ich vornehmlich, wie ein paar Wenige mit einer Mischung aus von Ausgrenzung und Missgunst geprägter Machtpolitik praktizierten.
Beispielhaft sei die „anonyme“ Mobilisierung von Delegierten gegen den seit gerade einmal einem Jahr amtierenden Vorsitzenden in unserem Ortsverein genannt, die dazu führte das der in denkbar knapper Wahl ohne Gegenkandidat aus dem Amt gejagt wurde – wohlgemerkt ohne Gegenkandidat oder konkrete, auf seine Person zurückzuführende Fehler, die nicht auch sein Vorgänger und auch nicht sein Nachfolger im Amt nicht wiederholten. Damals war ich das erste Mal in der sogenannten Mandatsprüfungskommission, kontrollierte also die Mitgliedschaft der Delegierten, mit unserem Kassierer. Natürlich hatte ich als Neuling keine so fiesen Hinterzimmerpraktiken erwartet, zumal unser Ortsverein kurz zuvor noch als ach so harmonisch, teamorientiert und gesellig galt. Warum plötzlich Herr und Frau Umberti, Verwandte des gleichnamigen, aussichtslosen Kandidaten zur Europawahl auftauchten, wurde mir erst im Nachhinein bewusst. Karsten, unser sehr ambitionierter Vorsitzender, mein bester Freund, erhielt an dem Abend auf dieser Jahreshauptversammlung seine bis dahin wohl wichtigste Lektion in seinem politische Leben.
Wenige Monate zuvor erhielt die stellvertretenden Vorsitzende im Unterbezirk kurz vor der Wahl eine nicht unumstrittene Gegenkandidatin präsentiert. Deren Steigbügelhalter hatten ihr zuvor versichern müssen, das ihr die Wahl in das Amt sicher sei, woraufhin Frau Steffes sich aus der Deckung traute. Nachdem sich kurz darauf andere beruflichen Perspektiven auftaten, kehrte besagte Genossin Darmstadt und ihrer Partei den Rücken, und zwar nicht ohne ihre Ämter mitzunehmen. Satzungsgemäß stehen ihr der Vorsitz des Ortsvereins und der stellvertretende Vorsitz im Unterbezirk der SPD Darmstadt-Stadt auch zu, doch politisch anständig wäre alle Ämter zur Verfügung zu stellen. Das allerdings engt den Spielraum für besagte Steigbügelhalter, provinzielle SPD-Prominenz und Strippenzieher natürlich ein, eine geeignete und gewogene Kandidatin oder Kandidaten auszudeuten.
Von gelebter Solidarität, wie sie »Deutschlands ehrlichster Politikerin« in Darmstadt erlebt haben will, war vermutlich nur in Dagmar Metzgers Phantasie und im engsten Parteifreunde und -funktionskreis etwas zu spüren. Nachdem sich Metzger Anfang März aus der Schweiz bundesweit bekannt machte, indem sie eine Tolerierung seitens der Partei Die Linke torpedierte, war man sich an der hiesigen Parteibasis weitgehend einig, und zwar darin das Metzer nun allein stehe. Die Ansichten über den weiteren Umgang mit der neuen Unperson gingen auseinander, aber das man mit den »Darmstädter Kennedys« und allem voran der Jeanne d’Arc der SPD nur noch konstruktiv zusammenarbeiten, ihr aber keinesfalls mehr eine neuerliche Kandidatur ermöglichen wolle war ausgemacht. Das Parteiordnungsverfahren im eigenen Unterbezirk konnte nur der machtpolitisch erfahrene Vorsitzende verhindern, der seinen Nachname mit dem des Vorsitzenden der lokalen Parteigerichtsbarkeit teilt. Dagmar Metzger wurde zwar allem voran von der konservativen wie auch anderen gleichgeschalteten Mainstream-Medien auf Händen getragen, vom Volk als Heldin wahrgenommen und verehrt worden, aber in Parteikreisen war ihr Manöver heftig kritisiert worden.
Klar war warum: Nur im hessischen Wahlkampf 2008, mit Andrea Ypsilanti an der Spitze und „klarer Kante“ zum Gegner konnte ich einen geschlossenen Verband erkennen, der dem Gegner Paroli und dem Wähler echte Alternativen anzubieten hatte.
Klaus Staeck war mir im Hessenwahlkampf 2008 Begriff geworden, damals entwarf er für die hessischen Jusos nebenstehendes Plakatmotiv. Darauf warnte eine »Koch-Initiative gegen Erneuerbare Energien e.V.« mit einem Großkraftwerk vor den Plänen der SPD, »Landschaft mit Windrädern zu verschandeln«.
Kurz darauf schürte Kochs Hessen CDU ausländerfeindliche Ressentiments auf Plakaten (»Al Wazir, Ypsilanti und die Kommunisten« (sic!) und aus den U-Bahnhöfen der Nation, um wenig später in einer von mehreren überraschenden 180°-Wendungen selbst ehedem als unmöglich bezeichnete 40 Prozent aus Erneuerbaren Energien gewinnen zu wollen. Gezwungen zum Kreidefressen wurde er vom Souverän, der der hessischen CDU bei zwei Wahlen in Folge 12 Prozentpunkte aberkannt hatte. Damit war der rechtslastige, rückwärtsgewandte Landesverband dezidiert für seine ausländer- und zukunfsfeindliche Hetze abgestraft worden. Belohnt wurde der Wähler letztlich trotzdem mit einer weiteren Legislaturperiode unter Ministerpräsident Roland Koch, nicht zuletzt weil es eine sehr homogene Wanderung von ehemaligen CDU-Wählern zur FDP und von der SPD zu den Nichtwählern gegeben hatte. Dorthin, zu einem Wahlsieg, wird eine SPD nur ein echter Neuanfang führen, zu dem ein Bundesminister a.D., Sigmar Gabriel, und eine stellv. Vorsitzende Andrea Nahles, ein Fraktionsvorsitzender Steinmeier nicht der Schlüssel sind. Vor allem dann nicht, wenn deren Patentrezepte aus der Krise nur in der selben Ausschließeritis der letzten Niederlagen sind.
Steinmeier muss endlich seinem Auftrag nachkommen und ganz vorne auf der harten Oppositionsbank Platz nehmen, auf die er die SPD in der Großen Koalition selbst verfrachtet hat. Anstatt der Partei Vorschriften für zukünftige Regierungsoptionen zu verbauen, wäre es an der Zeit dem Versprochen »klarer Oppositionsarbeit« mal Taten folgen zu lassen. Wenn er Steinmeier das tatsächlich durchhalten sollte, was ich bezweifele, wird ihm die Kraft für eine erneute Kandidatur ohnehin fehlen. Und das ist auch gut so.
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