ACTA ad acta legen
Die Verlage nutzen die Proteste gegen ACTA auf ihre Weise, zur Legitimierung eines wie auch immer gearteten „Leistung“s“schutz““recht“. Ich habe mich bei F!XMBR in Rage geschrieben, als ich beiläufig einen Text wieder erkannte, den die FAZ veröffentlicht hatte und der bar jeder Sachkenntnis und Intelligenz mit Phrasen und Vorurteilen auf jeden sich gegen ACTA & Co. engagierenden Aktivisten eindrischt, der blöd genug ist dem Pamphlet mehr als Achselzucken zu widmen. Und genau darum habe ich geschäumt: Weil ich den Text wiedererkannt habe. Und weil F!XMBR damit quasi schon Opfer von ACTA würde, und wir damit ein wirklich großartiges Blog verlören. Hier nun mein Kommentar im Volltext wiederum:
ACTA ad acta legen via Twitter kommentieren(Vorsicht: Kann Spuren von Sarkasmus, Ironie, Zynismus und Satire enthalten.)
Bei dem Vorhaben, ein weiteres Leistungsschutzrecht zu installieren, geht es letztlich um ein Füllhorn. Es geht darum Cashflow derart zu garantieren, das den Verlagen am Ende ein Vielfaches davon zur Verfügung was ihnen vorher durch stationären Handel und den Verkauf von Abonnements erwuchs. Das Geld das darüber verdient wird, bezeichnen andere – man verzeihe mir den Begriff – als Peanuts. Die zig tausenden Bordexemplare sind es doch, die trotz großzügiger Rabattierung den am einfachsten abzuschöpfenden Quell nie enden wollender Einnahmen mit sich bringt – mal abgesehen von der Werbung, dem eigentlichen Sinn und Zweck der Unternehmung. Jetzt stelle man sich mal vor, es gäbe eine Möglichkeit Kontingente von Veröffentlichungen en bloc abzuverkaufen, ohne auch nur einen Kiosk beliefern oder den Lesern überzogene monatliche Rechnungen für zu Werbeblättchen degenerierte Tageszeitungen abnehmen zu müssen. Genau da kommt doch der Staat und die Politik ins Spiel. Doch zunächst eine kleine Vorgeschichte …
Bei der trotzdem stattfindenden Einreichung gegenüber Google News* geht es einerseits darum keinen Leser an die Konkurrenz zu verlieren aber auch eine möglichst zeitnahe Platzierung und somit dem Großteil der möglichen Leserschaft habhaft zu werden. Wenn das doch das Ziel ist, und Werbung nicht genug Einnahmen generiert, warum kommt dann weder bei den gut vernetzten Verlagen noch den ihnen vorgelagerten Lobbyisten auf den Gedanken eine Produkt übergreifende Lösung zur Autorisierung und Abrechnung einzelner Artikel zu vereinbaren. Ich nenne es mal beispielhaft Deutsche Presseprodukte Vertriebsgesellschaft mit beschränktem Anspruch, kurz DPVmbA. Die DPVmbA sorgt dafür, das sich ihnen Zeitungsleser anvertrauen, indem sie mit ihnen Abrechnungs- und Zugangsdaten aushandeln, mit denen diese sich bei den dem DPVmbA anschließenden Verlagen Zugang zu einzelnen/pro einzelnem Artikel/n verschaffen können, oder zu einem Pauschalpreis, der dann unter den Verlagen aufgeteilt wird, der aber nicht unbedingt über den Preis eines klassischen Abonnements hinausgehen muss (jeder Leser hätte bisher nur Zugang zu einer oder zwei Tageszeitungen, dann aber zu allen Veröffentlichungen, würde aber nicht mehr „verbrauchen“, weil ohnehin nur begrenzt Zeit zur Verfügung steht und die Nachrichten von Gestern bekanntermaßen wenig Nutzwert haben). Die DPVmbA verteilt die generierten Einnahmen abzüglich einer Pauschale für den Betrieb der Plattform anteilig an die abonnierter Nachrichtenquellen bzw. anhand gelesener Artikel. In Grundzügen ein Modell also wie es ja seit einiger Zeit unter dem Namen „flattr“ erprobt wird, doch mit einem wesentlichen Unterschied: Das unternehmerische Risiko, auf das sich die Verlage ja so gern berufen, und das sie gern Dritten überantworten würden, läge bei den Verlagen, die eine solche Plattform erstmal „installieren“ müssten. Genau das geschieht aber aufgrund eben des unternehmerischen Risiko vor allem in Form ausbleibender Akzeptanz bei der Leserschaft eben nicht. Denn sind Millionenbeträge investiert, müssen auch Rückläufe sichergestellt sein.
Niemand bei den Verlagen scheint daran sonderlich interessiert, individuelle Monetarisierung zu betreiben – von untauglichen Insellösungen und sinnlosen Geschäftsmodellen mal abgesehen. Diejenigen Verlage, die es mit Apps, Abonnments und Archiven versuchen, ringt man höchstens bei der Präsentation der Jahreszahlen mal Kennzahlen ab, die aber derart verwässert sind, das ein Rückschluss darauf, ob das Vorhaben in der Gewinnzone oder ein grandioser Flop ist, unmöglich sind. Da hört man dann von den einschlägigen Vorstandsvorsitzenden das Apps sich gut verkaufen, trotzdem man gerade erst gestartet sei, oder das Onlinewerbung weniger einbringe, obwohl man Zuwächse bei eindeutigen Besuchern verzeichnet.
Denkbar scheint also weder, das sich Insellösungen durchsetzen, noch das sich Verlage des gemeinsamen Problems bewusst einer Lösung aus einer Hand widmen. Weil sich Döpfner & Co. lieber auf einem milden Rückgang von etwa 10 Prozentpunkten pro Jahr ausruhen als Millionen möglicherweise abzuschreiben, geht man meiner Vermutung nach längst einen ganz anderen Weg: In Verhandlungen entsendet man Lobbyisten um sie mit willfährigen Politikern an einen Tisch bringen, die dann die rechtlichen Rahmenbedingungen in Form eines Leistungsschutzrechtes eintüten, das eine technische Lösung beinhaltet. Ich wage eine Voraussage: Am Ende wird T-Syst*ms im Auftrag und auf Kosten der Steuerzahler einen völlig überzogenen Dienst aufstellen, den man so auch seitens der Verleger hätte aufziehen können. Die so installierte Plattform für Abrechnung und Zugang zu redaktionellen Inhalten erlaubt dann auch sowohl die Identifikation von geistigem Diebstahl und/oder Rechnungsstellung/Lizenzierung von früher vom Recht zu zitieren geschützte Auszüge – wobei letztgenannte von ein und der selben Komponente gewährleistet werden, mit sich voneinander unterscheidenden Faktoren für den Gegenwert (analog zum Schwarzfahren für 40 Euro). Vollautomatisch überweist der durch den Steuerzahler vom Risiko frei gehaltenen neue Mittelsmann en bloc Millionenbeträge, die bereits vom Fiskus um den reduzierten Mehrwertsteuersatz erleichtert wurden, ohne Umwege auf die Konten von Friede Springer & Co.
„Schöne“ neue Welt!
* Ich weiß, keiner mag Klugscheißer, aber es bräuchte zwei Zeilen in der http://www.faz.net/robots.txt um den Crawler abzuweisen. Das gerade das nicht gewünscht ist, zeigen leider schon die ersten Zeilen („Sitemap: http://www.faz.net/newssitemap“).