Generation Tschernobyl ohne Asse im Ärmel

Angela Merkel ist stolz auf der Welt sicherste Atomkraftwerke, bekräftigt hatte sie das zuletzt bei den Feierlichkeiten zum 50 Jährigen des deutschen Atomforums.

Die wichtige Seite dessen, was die Kernenergie und ihre Nutzung in der Bundesrepublik Deutschland ausmacht, ist, dass wir immer außerordentlich auf die Sicherheitskultur bedacht sind.

(Angela Merkel vor dem Atomforum am 1. Juli 2009)

Wohlgemerkt: Angela Merkel ist Physikerin, und Angela Merkel ist Kanzlerin, und Angela Merkel sprach zum Zeitpunkt nicht vor irgendwem, sondern eben dem Deutsche Atomforum.

Wer das Deutsche Atomforum nicht kennt: Nach Heiligendamm gelten Castor-Transporte als teuerste Polizeieinsätze unserer Geschichte. Damals waren auf den strahlenden Castoren Transparente angebracht.

Beworben wurde damit paradoxerweise eben jene vor allen Augen zur Schau gestellte Risikotechnolgie, denn anstatt in ein Endlager wird Atommüll in Castoren nur in Sporthallen-ähnlichen Zwischenlagern aus den Augen und dem Sinn der Bevölkerung befördert.

Als Aufschrift www.kernenergie.de trugen die Schwertransporter, eingebettet in eine scheinbar nie enden wollenden Blaulichtkette, ihre Werbebotschaft auch an einer Horde Foto- und Videojournalisten in die Abendnachrichten – ohne Gegenleistung, perfekter Lobbyismus.

Betrieben wird die Website vom »Deutschen Atomforum e.V.«, deren Argumentation sogar das Bundesamt für Strahlenschutz für fragwürdig hält. Der “gemeinnützige” Verein kämpft für die Atomstrom, und gegen den von Rot-Grün beschlossenen Atomausstieg – mit allen Mitteln.

Demnächst beispielsweise mit jede Menge bezahlter Demonstranten. Wenngleich das Atomforum nicht mit RWE gleichzusetzen ist, ihre Interessenlage dürfte harmonieren.


cc
buendnisgruenen

Vielleicht kommen auch ein paar der abkommandierten Azubis aus dem oben abgebildeten Kernkraftwerk Krümmel, welches aufgrund eines technischen Defekts nach zweijährigem Stillstand nach nur zwei Wochen wieder vom Netz genommen werden musste. Wenige Tage später musste der Betreiber weitere Probleme mit Brennstäben im Reaktor einräumen.

Gerade jene Azubis dürften froh sein, nicht über ihre gesamte Karriere hinweg unsicheren Kernkraftwerken ausgesetzt zu sein, manch einem wird die Wahl des Ausbildungsplatzes in den eher strukturschwachen Gegenden um Kernkraftwerke ohnehin nicht einfach gefallen sein.

Sigmar Gabriel weilte zu diesem Zeitpunkt im fernen Tschernobyl, als Krümmel einmal mehr einen Störfall erlitt. Gabriel kommentierte diesen neuerlichen schweren Störfall in Krümmel mit Scharfsinn, indem er ihn als Normalfall bezeichnete.

Angela Merkel und Sigmar Gabriel dürften zu diesem Zeitpunkt bereits die neuen Hiobsbotschaften aus dem verunglückten Versuchsendlager zugestellt bekommen haben: Dort säuft eilig versenkter Atommüll ab, werden Fässer undicht und sorgt für erhöhte Strahlenwerte. Asse wird ein Milliardengrab für den Steuerzahler, so viel steht fest, denn die Atomindustrie wurde von den weiteren Kosten für den gescheiterten Versuch, dem radioaktiven Dreck unter den Teppich zu kehren, weder finanziell belangt, noch eine Endlager verlangt. Inzwischen treffen die Hiobsbotschaften um Asse fast Börsentäglich ein – und die komplett kaputten Händler haben nichts besseres zu tun, als auf ein schwarz-gelbes Wahlergebnis zu spekulieren, das den Energieriesen Milliardengewinne dank Aufhebung des Atomausstiegs verspricht. Jeder Euro in die Finanzwirtschaft ist höhnisches Gelächter hinein in die Gesichter von vier von fünf Gegnern der Risikotechnologie.

Zu guter Letzt sei an den dritten Unsicherheitsfaktor dieser Tage aus dem bereits erwähnten Biblis erinnert, wo aufgrund der mangelhaften Technik der Abfluss verstopfen und eine Kettenreaktion in Gang setzen kann. Auch der hessische Reaktor bleibt deshalb vorerst vom Netz, auch hier erklärt der Betreiber am Standort festhalten zu wollen.

Krümmel geht vom Netz, Asse unter, und Biblis leidet an Verstopfung ,  dem Realitätscheck zur Sicherheit in der Atomkraft, von Frau Merkel wird man hierzu wohl keine Einwände hören. Aber: Risikotechnologie hat zu funktionieren, ohne wenn und aber. Man stelle sich mal vor, Blutreinigung funktioniere so zuverlässig wie Kernkraftwerke. Menschliches Versagen führt zu menschlichen Verlusten, und menschliches Versagen in Kernkraftwerken umso mehr. Auch wenn immer wieder betont wird, wie gut all die Protokolle funktionieren: Der Störfall ist schon jetzt Normallfall. Viele Wählerinnen und Wähler fühlen sich umsonst ins Wahllokal bemüht, wenn vor der Wahl keine oder eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte angekündigt wird, sich die beiden Koalitionäre dann aber auf drei Prozentpunkte einigen. Viel fehlt nicht, da den Begriff Wahlbetrug in den Mund zu nehmen. Gabriel sollte sich einen Gefallen tun und das Thema Atomkraft zementieren; wenn die SPD es zum Wahlkampfthema macht, darf es danach nicht zur Verhandlungsmasse gehören.

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