12+ Argumente gegen Zensursula und ihre Internetsperren
Bullshit1 droht Kulturgut zu werden, und unsere Gesellschaft droht immer deutlicher an einer aufoktroyieren Zensurkultur zu ersticken, wie sie seit 1945 in „West-Germany“ nicht mehr existierte.
Gestern unterzeichneten fünf Internetprovider ein Vertragswerk, dessen Auswirkungen uns im kommenden halben Jahr noch öfter beschäftigen und auch den Wahlkampf dominieren wird.
Vorgeblich der Bekämpfung der Kinderpornographie, wird in den kommenden Wochen und Monaten ein System konstruiert werden, bei dem zunächst beim Bundeskriminalamt „vier bis sechs“ neue Stellen geschaffen werden. Jene Mitarbeiter verarbeiten einerseits Zensurlisten anderer Länder, sollen sich aber auch selbst auf die Suche nach strafrechtlich relevantem Material begeben. Diese Liste wiederum wird den Internetprovidern wöchentlich zugestellt, die ihre darauf zugreifende Kunden wiederum an einen zentralen Server des Bundeskriminalamtes weiterzuleiten haben.
Land auf, land ab wird dies Verfahren weiter diskutiert werden müssen, weil all der vergebliche Aufwand kein einziges Kind vor dem Missbrauch schützen wird, auch wenn von der Leyen dies weiterhin wahrheitswidrig behaupten wird. Warum ich das wiederum behaupte, möchte ich mit zwölf einleitenden Argumenten gegen die nun etablierten Internetsperren belegen, zehn belegbaren Thesen bei denen es nicht bleiben wird.
Zensursula und ihre Internetsperren müssen per Definition scheitern. Warum?
- Weil Judikative, Legislative noch Exekutive noch immer nicht begriffen haben, wie das Internet funktioniert und warum Internetsperren daran scheitern müssen.
- Während Internetsperren heiß diskutiert werden, sind sie bei der Bundespolizei längst im Einsatz. Ausgerechnet dort passiert, wovor Kritiker der Internetsperren warnen: nonkonforme Inhalte werden am Arbeitsplatz ausgeblendet, eine entsprechende Stoppseite informiert über die Sperrung des Zugriffs.2
- Getilgt wurde auch eine Satire der Website des Bundesinnenministeriums, und zwar indem einfach kurzerhand der Provider kontaktiert und über den vermeintlich offenkundigen Rechtsbruch in Kenntnis gesetzt wurde. Was bei der Verwendung von Hoheitszeichen oder Logos von Bundesministerium zur unmittelbaren Reaktion aus den Ministerien oder ihren Verwaltungsorganen führt, soll gleichzeitig nicht auf Kinderpornographie anwendbar sein?
- Weil unsere Bundesregierung absolut ahnungslos in Hinblick auf Art, Menge und Herkunft zu sperrende Inhalte ist, wie die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP eindrucksvoll belegt.
- Weil Internetsperren einfach umgangen werden können, wie ein halbminütiger Screencast bei YouTube vorführt und eine inzwischen unübersichtliche Zahl von Handlungsempfehlungen zur Umgehung der Infrastruktur belegen.
- Wie unsachlich die Diskussion um Internetsperren geführt wird, kann man beispielsweise verfolgen, wenn man einem auf Netzpolitik veröffentlichten Mitschnitt eines Streitgespräches zuhört, bei dem eine Vereinsvertreterin als Befürworterin von Internetsperren frei jeder Sachkenntnis, höchst emotional argumentiert. Damit steht die junge Frau allerdings nicht alleine, sogar Zensursula von der Leyen und die anderen beteiligten Bundesmnister sind bekannt für ihre allenthalben zur Schau gestellte, mangelnde Fachkompetenz – und ihre untergebenen Staatssekretäre und „Fachmitarbeiter“ zeichnen sich durch ähnliche Stellungnahmen aus.
Wer hingegen Wochen und Monate rein emotional oder populistisch gegen sachlich und fachlich argumentierende Windmühlen anredet, dem wird das irgendwann zu viel. Hans-Peter Uhl ist so ein Fall, seine jüngste Stellungnahme spricht Bände:Für mich steht jedoch fest, dass z.B. das Freiheitsrecht eines Kindes, nicht sexuell missbraucht und Pädophilen zur Schau gestellt zu werden, um einiges höher zu bewerten ist als eine verabsolutierte “Freiheit des Internets” oder anderes dummes Geschwätz. Die ganze pseudo-bürgerrechtsengagierte Hysterie von Pseudo-Computerexperten, man müsse um jeden Preis ein “unzensiertes Internet” verteidigen etc. – vgl. www.ccc.de -, fällt für mich in die Kategorie: juristisch ohne Sinn und Verstand und moralisch verkommen.3
Da liegen die Nerven blank.
- Wer unsachlich diskutiert, bedient sich auch gern Halb- oder Unwahrheiten. Wenn sich dessen aber bereits Ministerien bedienen, bekommt das Verhalten eine gewisse Legitimität. Darum habe ich meine Vermutung zu Kennzahlen aus dem Eckpunktepapier des Bundesministeriums nochmal bestätigen lassen:
Die Hochrechnung auf mögliche Zugriffe in Deutschland erfolgte, wie Sie bereits vermuten, auf der Grundlage der Zahlen in Norwegen (15-18.000 abgewehrte Zugriffe pro Tag) und Dänemark (50.000 pro Tag).4
Nicht nur steht zu befürchten, das diese Kennzahl reichlich übertrieben ist, sondern auch von automatischen Zugriffen – beispielsweise von von Crawlern kleiner wie großer Suchmaschinenanbietern – in die Höhe getrieben wurde. Von den zu filternden Websites wird aufgrund des geheimen Charakters der Liste natürlich auch keine Suchmaschine Kenntnis erlangen, woran man wohl in den vergangenen Monaten nicht gedacht hatte.
Weiterhin ist anzumerken, das auch als steigend bezeichneten Fallzahlen („111%“) wohl nicht so ganz den Tatsachen entsprechen: Netzpolitik bezeichnet diese Kennzahl korrekt als »Zahlenspiele des Familienministerium«. - Weil selbst der Chef der schwedischen Polizei die Wirksamkeit der Internetsperren in seinem Land in Abrede stellt, und gleichzeitig zu berichten weiß, das die Zahl der Funde durch Internetsperren nachweislich anstieg. Ausgerechnet Schweden wurde immer und immer wieder als Paradebeispiel für den erfolgreichen Einsatz von Sperrlisten vorgeführt.
- Weil nämlich im Wochenrhythmus Adressen zur Filterung kommuniziert werden, deren kriminellen Geister davon in Echtzeit Kenntnis nehmen und ihre Angebote innerhalb weniger Sekunden verlagern können. Wenn eine Milliarden erwirtschaftende Industrie wirklich existieren würde, würde die nicht die Nutzung der eigenen Angebote auch überwachen und einen entsprechenden Abfall der Besucherzahlen zur Kenntnis nehmen? Naiv oder schlicht dumm zu glauben, dem wäre nicht so.
- Wenn sich jedoch die Unwirksamkeit der Internetsperren, oder ihre kontraproduktive Wirkung auch hier herausstellt, werden Zensursula, Superstar zu Guttenberg und Bundestrojaner Schäuble wahrscheinlich längst nicht mehr in ihren Ämtern weilen. Wie im gehobenen Management sind auch die Damen und Herren Minister damit von jeder weiteren Verantwortung freigesprochen, und mancher vielleicht schon in der Privatwirtschaft tätig.
- Wenn statt einer untauglichen vertraglichen Scheinlösung tatsächlich gegen Kinderpornographie vorgegangen würde, wären alle auf den Sperrlisten vertretenen Angebote längst vom Netz. Weil einerseits ein Anruf genügt und entsprechende Angebote aus dem World Wide Web getilgt würden, andererseits innerhalb des Bundeskriminalamtes auch ein System installiert werden könnte, das nachvollziehbar gegen aufgedeckte Fälle vorgeht – und dokumentiert, nachdem die Angebote vom Netz genommen wurden. Genau das aber wird bewusst unterlassen, und eben deshalb wird Kinderpornographie hiermit auch nicht bekämpft, sondern nur ausgeblendet. Niemand hätte von der Leyen dafür kritisiert, in Zusammenarbeit mit Wolfgang Schäuble ein System zur Verfolgung internationaler agierender Krimineller zu installieren, deren Arbeit zumindest das Parlament kontrollieren könnte und deren Wirkung für den Bürger zumindest in gewisser Regelmäßigkeit nachzuweisen wäre. Doch nun obliegt die Verwaltung einer geheimen Liste und die Erfolgskontrolle einer Behörde, die für ihre Transparenz nicht sonderlich bekannt und deren Methoden in letzter Zeit nicht selten in der Kritik standen.
- Weil nicht nur die Bundesregierung per Erlass, sondern auch Internetprovider per Vertrag auf verschiedene Verstöße gegen das Grundgesetz verpflichtet werden.
- Weil Betroffene selbst Internetsperren für wirkungslose Papiertiger halten, ihnen bei der Diskussion darüber übel wird und auch sie vermuten, das in der Folge weniger Ressourcen für die tatsächliche Bekämpfung zur Verfügung stehen werden.
- Weil schon kein Klick genügt und schon ist man auf einer strafrechtlich relevanten Website, und wird automatisch erfasst, was zwielichtige Zeitgenossen nutzen können, um missliebige Menschen in Misskredit zu bringen.
- Weil Kinderpornographie nur der gesellschaftliche Hebel für die Einrichtung einer allgemeinen Zensurinfrastruktur ist, wie selbst Bundesjustizministerin Brigitte Zypries in einer Rede vor dem Bundestag „zwischen den Zeilen“ einräumt:
Es ist uns wichtig, mit dem Gesetz die rechtlichen Regelungen dafür zu treffen, dass wir ein Access-Blocking machen können. Ich würde noch weitergehen und nicht nur die DNS, also die allgemeinen Domänennamen, berücksichtigen. Wir müssen auch auf die Ebene darunter gehen, sonst erreichen wir viel zu wenig. Es ist möglich, auf dieser Ebene das Surfverhalten zu verfolgen. Dann können wir sagen: Wer immer versucht, auf die Seite dieses oder jenes Anbieters zu gehen oder auf diese oder jene Inhalte zuzugreifen, wird erstens gestoppt – Ihr Vorschlag – und zweitens strafrechtlich verfolgt.5
Was auch immer die technisch etwas unbedarfte Genossin da mit „allgemeine Domänennamen“ oder „die Ebene darunter“ gemeint haben sollte: Wenn ich dies aus der die Kinderpornographie in fast jedem Satz erwähnende Rede isoliere, wird die Allgemeingültigkeit der Regelung, und die Stoßrichtung unserer Bundesregierung deutlich. Terroranschläge und rechtsextremen Übergriffen von erheblichem Ausmaß sind naheliegend der nächste Angriffspunkt dieser Regelung. Spätestens dann wird es unübersichtlich, weil anstatt der „vier bis sechs neuen Beamten für die Sperrlisten“ noch Spezialisten für Fremdsprachen und rechtsextreme Propaganda hinzugezogen werden müssen. Wenn aber die Zahl zu filternder Websites so exponentiell zunimmt wie die überwachter Telefonate, dürfte in Kürze mit oder ohne Gesetz ein Apparat entstehen, der tatsächlich mit dem der Staatssicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik nicht nur konkurrieren könnte, sondern diesen auch technisch-qualitativ überholt hätte.
- Geheimnis ist übrigens nicht nur die Sperrliste selbst, sondern auch das Vertragswerk zwischen Internetprovidern und Bundesregierung unterliegt einer Schweigeverpflichtung aller Vertragspartner. Transparenz ist anders.
- Weil Ursula von der der Leyen und ihre Freunde von der CDU über Strohmänner versucht öffentliche Meinung zu beeinflussen und eine breite Befürwortung zu suggerieren
- (Achtung, Satire!) Weil aus einem Stoppschild schnell ein ganzer Schilderwald werden kann.
Wie schon erwähnt, werde ich diese Liste um weitere Einwände erweitern, bin aber auch für konstruktive Kommentare offen.
- z.dt. etwa Humbug, vgl. Harry G. Frankfurt: Bullshit [↩]
- Wie sinnlos Versuche einer wie auch immer gearteten Filterung sind, kann sich jeder unter Einsatz eines Euro beim Telekommunikationsanbieter seiner Wahl selber beweisen: Mobilfunkvertrag unterzeichnen, Netbook aushändigen lassen, Tor installieren. Mir war Tor zu langsam, aber meinen Beitrag verfasse ich immerhin im Zug. [↩]
- Quelle: abgeordnetenwatch.de [↩]
- Quelle: Auskunft des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 31. März 2009 [↩]
- Quelle: Plenarprotokoll der 214. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 26. März 2009 [↩]