Wenn der Postmann keinmal klingelt.
Wenn der Postmann keinmal klingelt, obwohl man etwas erwartet, ist das nervig. Nerviger wird es allerdings, wenn nicht nur auf dem Weg zum Adressat etwas schief geht, sei es durch höhere Gewalt oder niedere Instinkte der Verantwortlichen verursacht. Ob ein eigens aus China importierter Artikel nun eine Woche lang im Paketzentrum herum liegt, damit der Zoll anhand der Zentimeter und Kilogramm bemessen kann ob es sich lohnt den Adressaten einzubestellen, oder auf der Benachrichtigungskarte verkündet, man hätte die Sendung in Empfang nehmen können, aber nunmehr frühesten am nächsten Werktag, ab 5 vor 12, gemessen an der gewöhnlich sehr langen Schlange in der Filiale, die längst zum Discounter geworden ist, in dem auch Strom- und Gaslieferverträge zu selbst klebenden Briefmarken verkauft werden.
Das kann man alles ertragen. Wenn man nicht gerade vor der Tür steht, und steht, und steht, geschieht all das jenseits der Wahrnehmungsschwelle. Aber wenn erst die Briefzusteller oder Paketbote, der Kundendienst, und dann auch noch die Filialangestellten aktiv dazu beitragen, das man nicht mehr an Zufälle glaubt, sondern zielgerichtete Inkompetenz vorausgesetzt werden kann, dann leidet das Nervenkostüm.
Ein Highlight neulich: Eine Lieferung einer größeren Menge kanadischen Katzenstreu. Dazu muss man sagen: Wir haben beide keinen PKW-Führerschein, nie gemacht; meine Frau hat einen Motorradführerschein, theoretisch sogar zwei Motorräder. Wir haben also keine Möglichkeit Verpackungseinheiten mit 12,5 Kilogramm bequem zu transportieren, also bestellen wir derlei, obwohl ich sogar Club Mate kistenweise auf dem Fahrrad nach Hause schaffe.
Nun aber zum Highlight, den drei über zwanzig Kilo schweren Kartons – ein Gewicht, das ich auf dringenden, ärztlichen Rat nicht mehr tragen darf:
- Ohne das der Postmann einmal klingelt vergeht ein herkömmlicher Wochentag. Wenn der Postmann keinmal klingelt, man aber zu Hause ist, erhält man für gewöhnlich eine Benachrichtigung in Anwesenheit. So auch ich. Beinah.
- Genau genommen finde ich drei Formulare für eine Sendung, d.h. für jede der nicht separat zuzustellenden Pakete eine Benachrichtigungskarte. Diese enthält auch die Möglichkeit, eine Zweitzustellung zu veranlassen – freilich frühestens zwei Kalendertage später.
- Doch: Auch die Zweitzustellung fand nicht statt, mehr noch lag dieses Mal keine, nicht einmal eine Benachrichtigungskarte im Briefkasten. Anstatt überhaupt nicht zu klingeln, und nur eine Benachrichtigungskarte im Briefkasten zu hinterlassen, hat sich der Zusteller entschieden, gar nicht erst in die Verlegenheit zu kommen, persönlich zu erklären, warum er nur klingelt.
- Meine Intuition veranlasste mich noch am selben Abend einen Besuch in der Filiale zu unternehmen. Und anhand des Branding und der schieren Mengen erknante ich unsere Sendung auch auf Anhieb im Verkaufsraum hinter der Theke stehend. Darauf angesprochen, als ich endlich der Erste in der Schlange war, teilte mir die hochmotivierte Mitarbeiterin mit, das der Fahrer die Lieferung »wieder mitgebracht« habe. Auf die Nachfrage, wie das sein könne, obwohl »wir zu zweit zu Hause waren« erntete ich nur ein Schulterzucken.
- Am darauf folgenden, nunmehr fünften Tag war ich initiativ bei der Filiale. Heute nämlich hätte sie dann spätestens ins Zustellfahrzeug verladen werden müssen, so jedenfalls erklärte es mir der Kundendienst am Telefon. Da ich die schon sehr mitgenommenen Kartonagen schon am Vorabend gesehen hatte, wusste ich: Die wurden nicht bewegt.
- Ich gab auf. Bevor die Sendung wegen mehrere Zustellversuche wieder den Rückweg antreten sollte, was dann das nächste Glied in der Prozesskette gewesen wäre, entschied ich mich die Sendung einfach in der Filiale in Empfang zu nehmen. Unter Verweis darauf, das ich nicht so schwer heben darf, quittierte ich und begann die einzelnen Kartons an der Schlange vorbei über den Boden gen Ausgang zu schieben. Warum ich die über zwanzig Kilo oder vielleicht dreißig Kilo nicht einfach auf die Schulter nähme hat man mich nicht gefragt, aber ich durfte noch weitere zwei Mal erklären, das ich das nicht dürfe, und zwar bei jedem weiteren Besuch in der Filiale: Mit einem Sack ist so eine Fahrradtasche nämlich auch schon gut ausgefüllt, müssen sie wissen.
- Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Theoretisch ist in der selben Straße ein Fachhandel für Tierbedarf, der sogar näher läge als die Post. Aber wer mal unter widrigen Begleitumständen, die unsere Verkehrsinfrastruktur nunmal ist, eine Schwerlast auf dem Fahrrad transportiert hat, weiß das man das nicht gern macht. Zumal nicht gern mehrmals hintereinander.
- Da ich mich zuletzt um die Kartonage kümmern wollte, die mit dem „Repacked“ Paketband der Post mühseelig zusammengehalten wurde, da sie wohl das ein oder andere Umladen nicht schadlos überlebt hatte – alle drei Kartons wohlgemerkt – hatte ich dahingehend, das mir die gestohlen würden keine Bedenken – wiederverwendtbar waren sie nicht. Und trotzdem manchmal die Schlange bis hinaus hinter die selbst öffnende Türe reichte, reichte die Zeit des Filialpersonal noch, um mich zwei Mal vor der Tür wie folgt anzusprechen: »Die Kartons nehmen sie aber schon mit?«
- Wenig später fuhre in neutraler Transporter mit einem Schild „Im Auftrag der Deutschen Post AG“ vor. Ein Duo wie Dick und Doof stieg aus, beäugte mein Tun und ließen im Vorbeigehen »So macht man das heute?« zueinander sagen fallen, aber noch genau so das ich es noch hören können musste. Wohlgemerkt: Ich zeriss hier vor ihren Augen die Kartonagen, die offenkundig sie selbst nicht zustellen wollten, und verlud sie in zwei Ortlieb-Taschen, die so weiß wie ihr Zustellfahrzeug waren. Dabei dachte ich mir: Kein Wunder, das die neutral fahren, bei so einer Arbeitsauffassung würde ich mich auch nicht zu erkennen geben. Das die beiden den offenen Transporter mitsamt ihres Inhalts offen stehen ließen und in die Fialiale verschwanden, fand ich schon gar nicht mehr bemerkenswert. Wäre da nicht die Wut über den ganzen Ablauf gewesen. Jetzt hätte ich mich problemlos und unbemerkt bedienen können. In dem Transporter lagen nicht zugestellte Sendungen, von denen einige auch sehr wertig aussahen. Mein gesundes Rechtsempfinden hat mich dann aber vor einem selbst zuerkannten Schadenersatz bewahrt. Will nur sagen: Die der Post anvertrauten Sendungen lagen hier im Wortsinn offen zugänglich und unbewacht griffbereit für Jedermann bereit.
- Zum Abschied kam die Postbotin dann nochmal raus, vermutlich um zu kontrollieren ob ih auch allen Papiermüll aufgesammelt habe, und beschied mir: »Fahrrad ist ja nicht so ideales Verkehrsmittel für den Transport.«
Inzwischen ist keine der beteiligten Filialangestellten mehr im Dienst, und der Paketbote ist auch wieder der Alte und einer der Besten die wir je hatten. Dieses Desaster wird mir aber auf alle Fälle in Erinnerung bleiben.
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