Rechtsruck

Überall wird vom vermeintlichen Linksruck geschrieben, meist verengt mit Blick in die SPD oder auf eine Zusammenarbeit von SPD und Die Linke. Deutschland insgesamt erlebt aber zur Zeit eher einen Rechtsruck, nicht vom sediert erscheinenden braunen Rand, vielmehr von dem was Sigmar Gabriel in seiner Bewerbungsrede um den Parteivorsitz korrekt aber viel zu spät endlich als „Demokratische Rechte“ bezeichnet hat. Keine Angst, jetzt folgt keine weltfremde Anklage gegen die CDU/CSU im Allgemeinen, oder ihren rechtslastigen Ausleger Hessen CDU im Speziellen. Vielmehr gibt es drei parallel verlaufende Entwicklungen, mit denen jene „Demokratische Rechte“ einer irgendwann wiederbelebten „Neuen Rechten“ wissentlich den Weg bereiten.

Der Verfassungsschutz zwischen Kompetenzgezerre und Inkompetenz

Das Bundes- und die Landesämter für Verfassungsschutz bekommen seit den verheerenden Anschlägen vom 11. September 2001 neue Kompetenzen zugewiesen, nämlich neben links- und rechtsextremen Umtrieben auch gegen die Verfassung und das Grundgesetz gerichteten politischen Islamismus zu ermitteln und im Anschluss auszuschalten. Das klingt martialischer als es ist, geht es in den von ihrer Natur Geheimdiensten ähnlichen Ämtern vielmehr darum Indizien zu sammeln, Verdacht zu erhärten und im Fall tatsächlicher Straftaten hiergegen vorgehen zu lassen. Gerade aber die Zerfaserung des Verfassungsschutzes in über 17 Organisationen, die Neuorientierung auf ein drittes Kompetenzfeld und ein in jüngerer Zeit rasch rotierende Personalkarussel und in der Folge eine grassierende Inkompetenz aufgrund mangelnder Erfahrung machen den Verfassungsschutz handlungsunfähig. Wenn in Deutschland tatsächlich einmal erfolgreich Anschläge durchgeführt würden, stünden wir vor der selben Diskussion, der sich die USA nach dem Versagen ihrer Geheimdienste stellen mussten.

Die nunmehr ewige Diskussion um ein NPD-Verbot

Natürlich muss mit demokratischen Mitteln gegen Demokratiefeinde vorgegangen werden, aber wenn man selbst mit zur Verfügung stehende Mittel nicht eingesetzt werden, aufgrund persönlicher Befindlichkeiten und Vorteilen die sich daraus ergeben, angefangen vom Abfischen der Wähler vom rechten Rand bis zur Abgrenzung gegen Rechts, wo ist denn zuvor erwähnte „Demokratische Rechte“ – vornehmlich aber die CDU – angelangt?

CDU-regierte Länder stemmen sich gegen ein neues Verbotsverfahren, im Gegensatz zur bayerischen CSU. SPD-regierte Länder haben ihre Spitzel, V-Leute genannt längst abgeschaltet und damit vom Verfassungsgericht vorgegebene Bedingungen für ein Verbotsverfahren geschaffen. Von Schleswig-Holstein, über Niedersachsen und Hessen, bis hin nach Baden-Würtemberg hocken Christdemokraten an den Schalthebeln zu Maßnahmen gegen erklärte Demokratiefeinde, und tun absolut nichts, mit der Argumentation man würde Rechts in den Untergrund drängen. Völliger Bullshit, wie sich schon bei naiver Betrachtung ergibt, und erst recht nach semiprofessioneller Auseinandersetzung mit dem Thema. Natürlich ist die NPD längst nicht „Die Rechte“, ihr Spektrum ist viel weiter. Natürlich ist „Die Rechte“ zum geringsten Teil in einer Partei organisiert, vom „Schwarzen Block“ über im Ausland operierende Holocaust-Leugner, Altnazis und einen Haufen Skins ist der größte Teil am braunen Rand fern der NPD, viele sogar absolute Gegner der „wachsweichen Parteibonzen“.

Der finanzielle Niedergang privater Initiativen gegen Rechts

Zu guter Letzt sind die Programme gegen Rechts permanent in Finanzierungsnot, und unsere neue Familienministerin und extrem konservative Kristine Köhler hält am Status des Bittstellers gegen Rechtsextremismus gerichteter Initiativen unbeirrt fest. Wenn sich „Die Rechte“ auch regelmäßig über vermeintlich astronomische Summen im Kampf gegen rechtsextremistische Umtriebe beschweren, gebiert für den Moment eine gewisse Komik. Weniger komisch sind solche Zahlen, wenn man ihnen mangelndes Engagement gegen Rechts gegenüberstellt, vor allem in bestimmten Regionen wie Dortmund, Teilen von Nord- und Südhessen oder in weiten Teilen ostdeutscher Provinz.

Wenn Aufklärung und Aufbauprogramme weniger Geld bekommen, rechtsextreme Parteien aber immer mehr Zuwendungen aus dem demokratischen Umverteilungsapparat erhalten, sind weitreichende „national befreite Zonen“ nur eine Frage von Jahren, nicht Jahrzehnten, alles in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Entwicklung und hieraus hervorgehenden Unzufriedenheit im Lande und in gewissen Regionen und Landstrichen.

Alles in Allem erlebt Deutschland also aufgrund der Zerfaserung der Verfassungsschützer, der Rechtsblindheit der neokonservativen Christdemokratie, und nicht zuletzt aufgrund des Rückzugs demokratischer Strukturen aus der Provinz und Machtübernahme durch neue Rechte erleben wir derzeit fast unmerklich einen Rechtsruck, während viele besser Wissende einen Linksruck herbeireden. Die Berufung von der extrem konservativen Kristine Köhler als Bundesministerin gibt dieser Entwicklung noch weiteren Anschub, denn ihr Wahrnehmungsspektrum ist auf Linksextremismus und Islamismus beschränkt und die Dominanz CDU-regierter Länder scheint auch mit Blick auf das nächste Jahrzehnt zementiert.

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